Das Pressearchiv unserer Gemeinde
Nachgefragt
Veröffentlicht am 02.06.2006
in Kornwestheimer Zeitung
Veröffentlicht am 02.06.2006
NACHGEFRAGT
Waltraud Vatter ist seit sieben Jahren Diakonin der evangelischen Gesamtkirchengemeinde Kornwestheim und kümmert sich um Angebote für Seniorinnen und Senioren.20 ältere Herrschaften starten kommende Woche im Thomasgemeindehaus in den 'Urlaub ohne Koffer'. Was für Leute machen da mit?
Es sind großteils Leute, die bereits in diverse Gruppen der Kirchengemeinde integriert sind. Menschen, die verstanden haben, dass sie nicht allein zu Hause sitzen dürfen. Die erkannt haben, dass Einsamkeit krank macht.
Ist es nicht gerade für einsame Menschen schwierig, sich den Ruck zu geben und an so einem Angebot teilzunehmen?
Ja, das ist ein Phänomen, das ich auch immer wieder beobachte, und von dem ich noch nicht recht weiß, wie man es anpacken kann. Es ist wirklich erschreckend, wie viele Menschen sehr einsam sind, aber nicht aus dem Haus gehen. Die Schwelle ist im Allgemeinen sehr hoch. Dass man sie jede Woche besuchen kommt, das würden die Leute schon wollen. Aber das ist ja nicht machbar. Manche bräuchten einfach jemanden, der die Initiative ergreift und sagt: 'Du gehst jetzt mit.'
Liegt die Zurückhaltung vielleicht auch an den Angeboten?
Von unserer Warte aus betrachtet: Die Säkularisierung spielt sicher eine Rolle. Man braucht die kirchlichen Angebote nicht mehr so, auch bei den älteren Menschen ist die Affinität zur Kirche nicht mehr selbstverständlich. In der Martinsgemeinde laden wir beispielsweise alle Gemeindeglieder über 70 zweimal im Jahr mit persönlichem Anschreiben zum Seniorensonntag ein, inklusive Fahrangebot. Im Endeffekt kommen dann rund zehn Prozent der Angeschriebenen. Auch unsere Gemeindedienst-Frauen, die zum Beispiel Geburtstagsbesuche machen, erleben oft Interessantes. Manchmal lässt man sie gar nicht erst zur Tür herein, oder sie kriegen zu hören: 'Sie können das Geschenk ja in den Briefkasten tun.' Vielleicht kommt das auch daher, dass die Gesellschaft in Kornwestheim so bunt durcheinander gewürfelt ist. Alteingesessene, Zugezogene, Vertriebene, Gastarbeiter, die großen ehemaligen Arbeitgeber Salamander und Bahn - es gibt hier so viele verschiedene Strömungen. Bei manchen pflanzt sich das Heimatlos-Sein im Leben fort.
Müssen sich also die Angebote für die ältere Generation ändern?
Es wird sich in Zukunft sicher einiges ändern. Die typischen Seniorenclubs beispielsweise, die werden irgendwann wahrscheinlich aussterben. Wenn ich mir die Generation anschaue, die jetzt älter wird: Leute um die 70, die noch aktiv und agil sind, Hobbys haben, sich interessieren - die wollen doch nicht mittags zum Kaffeetrinken zusammenkommen.
Wenn sie dann aber nicht mehr so rüstig sind - was kann man tun, dass mit der Einschränkung der Möglichkeiten nicht automatisch eine Vereinsamung einhergeht?
Ich denke, es müssten viel mehr Netzwerke über die Organisationen hinweg geschaffen werden. Viele machen Seniorenarbeit, aber jeder wurstelt vor sich hin und macht sein eigenes Ding. In Pattonville haben wir zum Beispiel kürzlich ein ökumenisches Netzwerk gegründet, eine Initiative, die Menschen ab 55 Jahren in Hinblick auf das gemeinsame Älterwerden zusammenbringen will. Es wäre schön, wenn man manches mehr vernetzen würde, generationenübergreifend, bis hin zu der Utopie, dass niemand alleine bleiben muss. Aber da muss wohl noch einige Zeit ins Land gehen, man ist mit neuen Ideen leider erst ganz am Anfang. Beispielhaft ist da die Stadt Nürtingen, die inzwischen sogar eine eigene Geschäftsstelle für Bürgerengagement eingerichtet hat.
Fragen von Susanne Mathes
Die Online-Publikation dieses Artikels erfolgt
mit freundlicher
Genehmigung der
Kornwestheimer Zeitung
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