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Flüchtlingsfest vor der Asylbewerberunterkunft in Kornwestheim
Veröffentlicht am 11.07.2011
in Redaktioneller Eintrag
Veröffentlicht am 11.07.2011
Flüchtlingsfest vor der Asylbewerberunterkunft in Kornwestheim
Buntes, einladendes Treiben herrscht auf dem ansonsten tristen Vorplatz des ehemaligen Eisenbahner-Wohnheimes in der Villeneuvestr. 92 in Kornwestheim. Hier wohnen 161 Menschen jeden Alters aus aller Herren Länder. Sie sind im Asylverfahren und müssen in der Regel mindestens ein Jahr lang in einer Sammelunterkunft wohnen. Sie sind untergebracht in Mehrbettzimmern und der Zuweisungsschlüssel beträgt 4,5 qm Wohnfläche pro Person.
Bei bestem Sommerwetter sind die Tische vor dem Haus geschmückt mit Alpenveilchen, und auf Einladung der Ökumenischen Arbeitskreise Asyl Kornwestheim und Ludwigsburg feiern Flüchtlinge und Flüchtlingsfreunde gemeinsam mit einem abwechslungsreichen Programm. Der Zauberer Rolando begeisterte sowohl die Erwachsenen als auch Kinder aus dem Irak, der ehem. Sowjetunion, aus Sri Lanka und Pakistan mit seinen Tricks. Knappe Gesten reichen aus, damit beim Trommelworkshop mit Till Ohlhausen die vielen verschiedenen Gäste einen gemeinsamen Rhythmus finden. Und mit Geschick und Grazie gelingt es der Kornwestheimer Tanzlehrerin Frau Yeksan, mit den Besuchern einen Reigen internationaler Kreistänze aufzuführen. Die Kosten für Speisen und Getränke übernimmt zum großen Teil das Landratsamt Ludwigsburg. Die Kornwestheimer Kirchen sorgen in Zusammenarbeit mit dem Sozialdienst für die Bewirtung, und der Stimmung ist es sehr zuträglich, dass das Fest traditionell ohne Alkohol gefeiert wird.
In ihrer Eröffnungsansprache beklagt Pfarrerin Fraukelind Braun die politische Vorgaben, nach denen Asylbewerbern die Integration verweigert wird. Sie sind mit Arbeitsverbot belegt, dürfen den Landkreis nicht verlassen und sind auf Sachleistungen angewiesen. Dabei sind viele Flüchtlinge überaus dankbar, dass sie hier in Deutschland weitgehend sicher leben können. Sie schätzen auch sehr, was insbesondere für ihre Kinder in den örtlichen Kindergärten und Schulen getan wird. Gerade weil sie oft am eigenen Leib erfahren haben, dass Demokratie und Rechtstaatlichkeit alles andere als selbstverständlich sind, können Flüchtlinge unsere Gesellschaft positiv mit gestalten. Pfarrerin Braun betont: “Dass die Erfahrungen der Flüchtlinge für uns alle wichtig sind, muss in Deutschland noch viel stärker ankommen!“
Unter den Mitfeiernden ist auch die Bundestagsabgeordnete Ingrid Hönlinger. Als Rechtsanwältin und aktives Mitglied der örtlichen Gruppe von Amnesty International ist sie schon seit über 20 Jahren mit Flüchtlingsfragen vertraut. Sie beklagt, dass die Bundesregierung zwar Menschenrechtsverletzungen anprangert, aber zu wenig tut, um den Betroffenen Unterstützung und Schutz zukommen zu lassen. Am Beispiel des Iran macht sie deutlich, in welch hohem Maße Menschen gefährdet sind, die dorthin abgeschoben werden sollen. Die islamische Republik verfolgt Angehörige religiöser Minderheiten und Menschen, die vom Islam zum Christentum übergetreten sind. Im Menschenrechtsausschuss des Bundestages macht sie sich dafür stark, dass den außenpolitischen Bekenntnissen entsprechende asylpolitische und ausländerrechtliche Taten folgen.
Foto: MdB Ingrid Hönlinger im Gespräch mit Besuchern des Flüchtlingsfestes (u.a. Pfarrerin Fraukelind Braun (Kornwestheim) und Pfr. Martin Kreuser (Ludwigsburg)
Politisch Verfolgte brauchen oft viel Geduld und Stehvermögen, bis sie Anerkennung finden. Mahmoud ist ein älterer Herr, der wegen seiner Sprachkenntnisse in der Sammelunterkunft auch als Dolmetscher sehr geschätzt wird. Er war Direktor der palästinensischen Autonomiebehörde im Gaza-Streifen. Nachdem die Hamas dort an die Macht gekommen war, hat sie ihn als Fatah-Angehörigen unter fadenscheinigen Gründen angeklagt, wiederholt eingesperrt und gefoltert. „I am a lucky man!“ betont er, denn er hat in letzter Sekunde das Geld aufbringen können, um eine Flucht aus Gaza bezahlen zu können. Über Ägypten und Algerien gelang er im Laderaum eines Fischkutters nach Europa. Sein Herzenswunsch ist, bei seinem einzigen Sohn in Nordrhein-Westfalen seinen Lebensabend verbringen zu können. In der Kornwestheimer Unterkunft wartet er schon ein ganzes Jahr lang auf eine Verlegung zu seiner Familie nach Bielefeld.
Frau Sema Hamid hat ihr traditionelles pakistanisches Festtagskleid angezogen. Sie berichtet voller Stolz, dass ihre Tochter die Abendrealschule besucht und Klassenbeste ist. Die fünfköpfige Familie lebt seit 6 Jahren im Landkreis Ludwigsburg. Vor allem die ersten zwei Jahre in der Containersiedlung in Sachsenheim seien sehr beschwerlich gewesen. Aber seit dem das Arbeitsverbot für ihren Mann aufgehoben worden ist und er als Baustellen-Reiniger arbeiten darf, geht es voran. Sie schätzt an ihrer neuen Heimat, dass sie hier sicher leben können und dass den Kindern eine gute Ausbildung ermöglicht wird. Ihre ordentlichen Deutsch-Kenntnisse verdankt sie einem Sprachkurs, der in Ermangelung öffentlicher Angebote ehrenamtlich von Mitgliedern des Arbeitskreises Asyl erteilt wird.
Pfr. Martin Kreuser
Weitere Infos unter ' target='_blank'>www.ak-asyl-ludwigsburg.deDen vollständigen Artikel finden Sie hier als Download (527 KB)
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