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Familienanschluss auf Leihbasis
Veröffentlicht am 10.04.2007
in Kornwestheimer Zeitung
Veröffentlicht am 10.04.2007
Familienanschluss auf Leihbasis
Erfahrungsaustausch beim Leihoma-Service – „Es passt nicht jeder zu jedem“Kornwestheim. Eine Oma für alle Fälle. Das wünscht sich wahrscheinlich jede junge Familie. Die Leihomas vom Leihoma-Service versuchen auch, dem nahe zu kommen. Dennoch: die Erfahrung lehrt, dass die Chemie stimmen muss. Eigentlich genau wie in jeder Familie.
Von Birgit Kiefer
Zunächst wollte Heidrun Neth nicht zum Erfahrungsaustausch mit den anderen elf Leihomas des Leihoma-Services der evangelischen Kirchengemeinde kommen. Zur verabredeten Zeit soll sie doch auf Konstantin aufpassen. Es ist schließlich ihr „Oma-Tag“. Aber Adelheid Lechler-Scholzen, die Leiterin des Leihoma-Services, hat ihr gut zugeredet. Und so kommt der sechs Monate alte Knirps einfach mit in die Runde und sorgt bei den Damen für Begeisterung.
Der Kleine ist selig, wenn die alte Dame ihn kurz an den Füßchen packt und sie leicht schüttelt. Er lacht. „Oma“ und „Enkel“ verstehen sich ausgezeichnet. Dennoch: „Es passt nicht jeder zu jedem“, meint Lechler-Scholzen. Und das trifft auch genau das, was die Frauen berichten. Die Kinder selbst sind dabei praktisch nie das Problem; vor allem zwischen Mutter und „Oma“ muss einfach die Chemie stimmen.
„Man übernimmt ja auch eine Riesen-Verantwortung, und da brauche ich auch die Rückendeckung der Eltern“, erzählt Christa Müller. Richtige Omas hätten es da wohl leichter. Die Autorität einer Fremden in der Familie hängt dagegen stark davon ab, wie viel ihr die Eltern einräumen. „Du hast mir gar nichts zu sagen, hat mein Vater gesagt“, habe ihr der Enkel mal entgegengehalten, erzählt eine der Leihomas. Dass das nicht stimmt, da war sie sich sicher und erwiderte, sie werde sich am nächsten Tag mit dem Vater mal unterhalten. „Nö, nicht nötig“, habe der Kleine daraufhin plötzlich verkündet. Die Frauen nicken verständnisvoll, sie kennen ähnliche Situationen. Ist kein Vertrauen untereinander da, klappt der Leihoma-Service auch nicht.
Schwierigkeiten gibt es auch in Pattonville. Dort leben nur verhältnismäßig wenige Ältere. Daher kann der Leihoma-Service dort nur wenige Omas aufbieten, und wegen der Anfahrt sind auch nur wenige der Damen bereit, dort zu helfen. Schließlich fühlen sie sich schon nach kurzer Zeit ihrer Familie gegenüber verpflichtet und stehen auf Abruf bereit, wenn die Mutter mal mit einem der Kinder zum Arzt muss oder einen Abend lang freimachen möchte.
Des Geldes wegen allein hilft jedenfalls keine der Leihomas aus. Sie bekommen gerade mal sechs Euro für die erste Stunde eines Einsatzes und drei Euro für jede weitere. Darum, sich eine goldene Nase zu verdienen, geht es ihnen auch nicht, sondern um die Bereicherung durch die kleinen Kinder, um den Familienanschluss. Das bedeutet aber nicht, dass Leihomas keine eigene Familie hätten. Der Mann ist daheim, die Kinder aber vielleicht weiter weggezogen und damit auch die Enkel.
Ihre Leihenkel haben sie ins Herz geschlossen. „Man hängt schon sehr an den Kleinen“, erzählt Elke Bernhard. Heidrun Neth reicht einen Bilderrahmen mit einem Foto der drei „Enkelkinder“ herum: Der kleine Konstantin, sein etwas älterer Bruder und die fünfjährige Schwester strahlen da in die Kamera. Der Stolz ist Heidrun Neth anzusehen. Es könnte auch das Foto ihrer echten Enkelkinder sein.
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