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Ein Haus für alle – ohne Trennwände
Veröffentlicht am 09.06.2004
in Kornwestheimer Zeitung
Ein Haus für alle – ohne Trennwände
Katholische und evangelische Kirche feiern Einweihung des umgebauten Thomashauses
Kornwestheim. Aus dem Provisorium ist ein Paradebeispiel geworden: Das 1975 gemeinsam von katholischer und evangelischer Kirche am Rand des Ostgebiets errichtete Thomasgemeindehaus galt von Anfang an als Vorreiter in Sachen Ökumene. “Das war damals revolutionär“, meint Stefan Spitznagel, Pfarrer der katholischen Gemeinde St. Martin. Jetzt gehen die beiden großen Konfessionen am Ort noch einen Schritt weiter und lösen die räumliche Trennung komplett auf. Neben dem Saal werden künftig auch Eingang, Sa-kristei, Küche und Sanitärräume gemeinsam genutzt.
VON ANDREA RUDOLPH
Dass in der Sakristei ein Gebet von Martin Luther an der Wand hängt, stört Stefan Spitznagel überhaupt nicht. “Wenn ich dazu noch ein Bild vom Papst hängen darf“, scherzt der katholische Pfarrer. Sein Kollege Karlheinz Hering sieht konfessionelle Eigenheiten im Gottesdienstraum ebenso gelassen. “Wir haben die Bibel, die Katholiken ihr Tabernakel. Wenn wir das nicht akzeptieren würden, wäre das alles nicht möglich.“ Wenn der Pfarrer der evangelischen Thomasgemeinde künftig sonntags um 10.45 Uhr den Gottesdienst beginnt, ist der Raum noch genau so, wie ihn der katholische Kollege kurz vorher verlassen hat. “Bisher wurden sogar die Kerzen ausgetauscht“, erzählt Hering.
Der 44-Jährige sieht die Ökumene als den Weg in die Zukunft. “Natürlich gibt es in beiden Gemeinden auch Mitglieder, die das nicht wollen, aber die finden auch noch ihr eigenes Profil“, erklärt der Pfarrer. “Und das werden immer weniger.“ Ein Beweis ist für Hering der Familiengottesdienst, den seit Anfang 2003 jeden ersten Sonntag im Monat zwischen 100 und 150 Katholiken und Protestanten gemeinsam feiern.
Die Ökumene hat im Thomasgemeindehaus auch eine ökonomische Seite: Schon 1975 war es einfach praktisch für beide Kirchen, quasi zum halben Preis eine Niederlassung im Wohngebiet Ost zu haben. Es war eines der ersten ökumenischen Gemeindehäuser im Land und als Provisorium gedacht. Nach zehn Jahren sollten dort am Rande der Stadt ein ökumenisches Gemeindezentrum und eine Kirche errichtet werden. “Doch die Stadt änderte ihre Baupläne, der Kirche ging das Geld aus.“ Heute gewinnt das Thomashaus mit dem Wohnpark Neckarstraße an Bedeutung. Von den 3500 Bewohnern des Kornwestheimer Ostens gehören nach Angaben der Pfarrer rund 1300 der evangelischen und 1000 der katholischen Kirche an.
Die Gemeinden sammelten viele gute Erfahrungen. Als nach über 25 Jahren die Küchen renovierungsbedürftig geworden waren, fragen sich Vertreter der Kirchengemeinderäte: Brauchen wir überhaupt zwei? “Nein“, antwortet Hering, “aber wir brauchten dringend einen größeren Jugendraum für die Kinderkirche und andere Gruppen“. Und der Altarraum musste unbedingt erneuert werden, fügt Pfarrer Spitznagel hinzu. So entschloss man sich zu einer Radikalkur: Die katholische Sakristei wurde dem Jugendraum zugeteilt. Eine der beiden Küchen wandelte man in eine Stuhlkammer um – der schon immer von beiden Gemeinden genutzte Saal wurde größer. Die Trennwand im Eingangsbereich und im Saal wurde entfernt – aber nicht weggeschmissen. “Man soll den Raum für kleinere Veranstaltungen noch trennen können“, erklärt Ulrich Hoch. Der Vorsitzende des Bauausschusses im katholischen Kirchengemeinderat hat den Umbau geplant und geleitet. Wie im alten Saal kann der Blick auf den Altarraum bei weltlichen Feiern, so Hoch, durch eine neue Wand versperrt werden.
Ende Januar ging’s los. Unter der Woche schafften die Handwerker, am Wochenende Mitglieder beider Kirchengemeinden, erzählt Ulrich Hoch. Rund
130 000 Euro wurden investiert, die Kos-ten werden je zur Hälfte von katholischer und evangelischer Gemeinde getragen. Knapp 30 000 Euro wurden durch das ehrenamtliche Engagement gespart, schätzt Hoch. “Zwischen 20 und zwei Helfer waren regelmäßig freitags und samstags im Einsatz.“
Auf den ersten Blick fallen im Saal der neue Altar sowie das Weihwasser- und Taufbecken auf, die wie der Osterkerzenständer von dem Kornwestheimer Schreiner und Künstler Peter Otto Hilsenbek aus Eichenholz hergestellt wurden. Die Pläne stammen von seiner Frau Ruth Hilsenbek, die sich an den Vorgaben der Kirchenvertreter orientiert hat. “Wir wollten alles bewusst schlicht halten“, erklärt Karlheinz Hering. “Das passt am besten zum Haus.“
Das Ökumenische Fest zum Abschluss des Umbaus beginnt am Sonntag, 13. Juni, 10.45 Uhr mit einem ökumenischen Gottesdienst. Gleichzeitig findet im Thomasgemeindehaus, Theodor-Heuss-Straße 52, ein Kindergottesdienst statt. Das Fest endet um 16.30 Uhr mit einem Luftballonstart.
Die Online-Publikation dieses Artikels erfolgt
mit freundlicher
Genehmigung der
Kornwestheimer Zeitung
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