Das Pressearchiv unserer Gemeinde
Ein Fitzel Papier genügt
Veröffentlicht am 05.03.2004
in Kornwestheimer Zeitung
Stadt und Geschichtsverein kaufen Hahn-Waage
Kornwestheim. Wenn künftig etwas in der Stadt auf die Goldwaage gelegt werden soll: kein Problem. Martin Sauter, Geschäftsführer der Waagenfabrik Gottl. Kern & Sohn in Albstadt-Ebingen, überreichte Oberbürgermeister Dr. Ulrich Rommelfanger und Vertretern des Vereins für Geschichte und Heimatpflege gestern ein hydrostatische Waage, ein Nachbau der von Philipp Matthäus Hahn in seiner Kornwestheimer Zeit gebauten Präzisionswaage. Wo das wertvolle Stück - Stadt und Geschichtsverein zahlten einen vierstelligen Betrag dafür - aufgestellt wird, steht noch nicht fest.
VON WERNER WALDNER
Die kleine Demonstration von Martin Sauter ist beeindruckend: Er legt ein Fitzel Papier auf die Waage und sie neigt sich zur einen Seite. 'Wenn Sie eine Stecknadel in 100 Stücke teilen und eins davon auf die Waagschale legen, schlägt sie aus“, erläutert Sauter. Aufs tausendstel Gramm genau zeige die Waage an, die Philipp-Matthäus-Hahn 1774 in Kornwestheim entwickelte. Die präzise Arbeit der Waage ist nicht der einzige Pluspunkt: Es handelt sich um eine Reisewaage, die in ein kleine Holzkiste passt. Die Gelehrten, erzählt Sauter, hätten bei Forschungsreisen solche Messinstrumente benutzt. Die von Hahn entwickelte Waage gibt außerdem das spezifische Gewicht eines flüssigen Stoffes, die so genannte Dichte, an und kann - 'so nebenher halt“, wie Sauter bewundernd anmerkte -Gold wiegen.
Das Ergebnis der Arbeit des Mechanikerpfarrers ist auch deshalb erstaunlich, weil Hahn, als er die Waage entwickelte, eigentlich auf Uhren spezialisiert war. 'Er war ein Laie auf dem Gebiet der Waagen“, berichtet Sauter. Ein Jahr arbeitete Hahn an der Waage, bis er sie 1774 fertiggestellt hatte. Ein schwieriges Jahr: 'Möge der Herr mich von den Fesseln befreien“, trug Hahn damals in sein Tagebuch ein. Er empfand offensichtlich Stress. Sein Einsatz lohnte sich allerdings. Die Waage entwickelte sich quasi zum Verkaufsschlager. 'Ein ganz beständiger Artikel“, mit dessen Verkauf manches aus der Hahnschen Werkstatt mitfinanziert wurde, was nicht so gut lief. Nach Hahns Tod übernahmen die Söhne und Brüder die Herstellung der Waage. Von den Waagen des Philipp Matthäus Hahn gibt’s vemutlich kein Exemplar mehr. Sauter: 'Wir haben bei unserer Suche weltweit keine Waage gefunden.“ Weiterentwickelt wurde die Präzisionswaage im 19. Jahrhundert von einer
schwedischen Firma, der deutsche Apotheker Dr. Carl-Friedrich Mohr machte sie als Mohr’sche Waage berühmt.
Das ändert nichts an der Tatsache, dass sich die Grundlagenentwicklung in Kornwestheim vollzog - in der Werkstatt von Philipp Matthäus Hahn. 'Eine unheimlich gute Leistung“, lobt Sauter. Elektronische Waagen anno 2004 seien zwar einfacher zu bedienen, aber nicht wesentlich präziser. Hahn habe ein
hohes technisches Vorstellungsvermögen gehabt, meint Sauter. 'Das ist wahrscheinlich der Grund dafür, dass er ein so bedeutender Techniker war.“ Fünf Exemplare wurden von der Präzisionswaage nachgebaut - eins steht in München im Deutschen Museum, eine im Werk der Firma Kern in Albstadt-Ebingen, über jeweils ein Exemplar verfügen das Hahn-Museum in Onstmettingen und das Landesmuseum in Stuttgart. Die fünfte Waage steht nun in dem Ort, wo das Vorläufermodell entwickelt wurde.
Wo genau und wie die Waage der Öffentlichkeit vorgestellt wird, steht noch nicht fest.
Doris Rittweger, Vorsitzende des Kornwestheimer Vereins für Geschichte und Heimatpflege, schwebt eine kleine Ausstellung vor. Sie solle auf jeden Fall nicht versteckt werden, betonte der Oberbürgermeister bei der offiziellen Übergabe gestern Vormittag im Kornwestheimer Rathaus.
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