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Die Jugend soll arbeiten, ich behalte ihre Kinder
Veröffentlicht am 10.06.2006
in Kornwestheimer Zeitung
Veröffentlicht am 10.06.2006
'Die Jugend soll arbeiten, ich behalte ihre Kinder'
Katrin Weiß betreut als Tagesmutter zwei Kleinkinder - Verein betreut und qualifiziert die ErsatzelternKornwestheim. Begeistert hockt Erik vor dem CD-Spieler, hoppelt auf und ab zu den Klängen von 'Ein Männlein steht im Walde' und wedelt mit den Armen. Katrin Weiß hat die Musik aufgelegt, die Erik so gerne hört. Gemeinsam mit der Tagesmutter singt und klatscht der Junge im Takt.
Von Gaby Mayer-Grum
Wann immer Bettina Zehner den kleinen Erik bei seiner Tagesmutter besucht, zeigt sich dasselbe Bild: 'Sie sind zufrieden miteinander', sagt die Diakonin der evangelischen Gemeinde. Sie kümmert sich in der Kornwestheimer Außenstelle des Ludwigsburger Tagesmütter-Vereins um die Vermittlung, Betreuung und Qualifizierung von Tagesmüttern und -vätern. Rund 15 gibt es derzeit in Kornwestheim, sie betreuen 30 Jungen und Mädchen im Alter ab sechs Wochen.
Katrin Weiß ist eine dieser Tagesmütter. Die 47-Jährige, die zwei erwachsene Kinder und ein Enkelkind hat, ist seit Oktober vergangenen Jahres für zwei Kinder da: Die knapp zweijährige Cayenne und der 14 Monate alte Erik verbringen drei Tage in der Woche bei ihr, und auch wenn die Eltern spontan Hilfe brauchen, springt sie ein. Nach einer vierwöchigen Eingewöhnungsphase, in der die beiden zunächst stundenweise und gemeinsam mit ihren Müttern zu Katrin Weiß kamen, waren Tagesmutter und Kinder auf sich alleine gestellt.
Alle drei kommen von Anfang an bestens miteinander aus. 'Es gab nie Tränen, nicht mal beim Abschied', erinnert sich Katrin Weiß an die ersten Wochen als Ersatzmama. Vom Fenster aus winkt sie am Morgen mit den Kindern den Eltern nach, Cayenne wirft ihrer Mama eine Kusshand zu - dann geht's rund in der Wohnung der Tagesmutter. Nach dem gemeinsamen Frühstück wird gespielt - auf Kinderartikelbörsen hat sich Katrin Weiß mit Spielsachen und Malstiften eingedeckt - oder im Garten getobt. Das Mittagessen kocht die Tagesmutter am Abend vor - so kann sie sich tagsüber ganz auf die Kinder konzentrieren. 'Den Haushalt nebenher noch zu machen, das geht nicht', sagt Katrin Weiß. Nach dem Essen wird geschlafen. Cayenne und Erik haben ihr eigenes Zimmer mit Kinderbettchen im Teilzeit-Zuhause. 'Nach dem Mittagsschlaf wird geschmust', und nach einem Vesper klingt der Tag beim Spielen und Singen aus. Dabei hat die 47-Jährige ein Auge darauf, welche Fortschritte die Kleinen machen. 'Es geht nicht nur um die Aufbewahrung der Kinder, sie sollen auch was lernen', sagt Katrin Weiß.
Besser, findet Bettina Zehner, kann eine Tagesmutter ihren Job kaum machen. Immer wieder überzeugt sie sich bei unangemeldeten Stippvisiten davon, wie der Alltag in den Ersatzfamilien aussieht. Auch Männern und Frauen, die gerne Tagesmütter werden wollen, stattet sie einen Besuch ab. Dabei schaut sie, ob die Wohnung kindgerecht eingerichtet ist, ob Schlafplätze und Spielsachen vorhanden sind. Und: 'Ich versuche herauszufinden, ob jemand tatsächlich die Absicht hat, sich auf diese Aufgabe einzulassen und wie seine Einstellung zu Kindern ist.' Wichtig ist auch: 'Ist der Lebens- oder Ehepartner mit der Tätigkeit einverstanden? Und was sagen die eigenen Kinder dazu?' Auch vermeintliche Kleinigkeiten spielen eine Rolle: 'Gibt's Haustiere, ist die Wohnung zu kalt oder klingelt in einer Tour das Telefon?'
Umgekehrt prüft die Diakonin auch die Vorstellungen der Eltern, die ihre Kinder von Tagesmüttern betreuen lassen wollen, und rückt wenn nötig deren Ansprüche gerade. 'Manche stellen sich vor, dass die Kinder drei bis vier Spielkameraden haben, dass nur Biokost gekocht wird und die Tagesmutter im richtigen Wohnviertel lebt.' Nicht alle Wünsche könnten da erfüllt werden, meint Zehner, 'man muss auch Kompromisse eingehen'. Seien Eltern dazu nicht bereit, dann müssten sie sich fragen, ob eine Betreuung ihrer Kinder durch Tageseltern tatsächlich das Richtige für sie sei. Gleichzeitig bewertet es Zehner als positiv, wenn sich Eltern darüber Gedanken machten, wie ihr Kind versorgt wird. 'Absolute Anspruchslosigkeit gegenüber dem Kind ist auch nicht in Ordnung.'
Mit der Arbeit als Tagesmutter hat zumindest Katrin Weiß das richtige für sich gefunden. Die gelernte Kinderkrankenschwester hatte zuletzt als Schulungsleiterin in der Ausbildung gearbeitet - bis sie ihren Job verlor. Eine neue Stelle konnte sie nicht finden. Sie sei zu alt, hörte sie immer wieder von Arbeitgebern. 'Dann soll die Jugend arbeiten, und ich behalte so lange ihre Kinder', beschloss die 47-Jährige. Der Tagesmütterverein habe sie dabei sehr unterstützt. Er sorgte für eine Grundausbildung und half Katrin Weiß beim Papierkram.
Alle Tageseltern schließen Verträge ab mit den Eltern, die ihre Kinder betreuen lassen. Darin sind nicht nur die Betreuungszeiten geregelt, sondern auch versicherungsrechtliche Fragen und die Bezahlung der Tagesbetreuer. Und die ist alles andere als üppig. 'Es scheidet aus, dass jemand diese Arbeit wegen des Geldes macht', sagt Katrin Weiß. Sie macht die Arbeit wegen der Kinder. Erik hat sein Mittagessen eingenommen, jetzt ist er müde. Katrin Weiß legt ihn in sein Kinderbettchen und zieht die Spieluhr auf. Die ist noch nicht verklungen, da schläft der Kleine schon tief und fest.
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