Das Pressearchiv unserer Gemeinde
Dabei kann viel Gutes herauskommen
Veröffentlicht am 14.10.2005
in Redaktioneller Eintrag
Dekan Hans-Frieder Rabus auf Dienstbesuch in Kornwestheim
Hans-Frieder Rabus, Dekan im Kirchenbezirk Ludwigsburg, nimmt zurzeit die evangelische Kirchengemeinde Kornwestheim unter die Lupe.
Von Susanne Mathes
Was im Sommer mit zwei aufwändig gestalteten Gemeindeforen in der Johanneskirche und im Johannesgemeindehaus begonnen hat, setzt der Dekan seit kurzem mit Besuchen und Gesprächen in Kornwestheim fort. Die Visitation, die mit einem schriftlichen Bericht an den Oberkirchenrat abgeschlossen wird, „dient der Aufgabe, die Kirche innerlich gut zu leiten“, sagt Hans-Frieder Rabus. Sie soll das Gemeindeleben in seiner ganzen Breite sichten, der Strukturierung und Zielklärung der Arbeit in der Gemeinde dienen und nach Notwendigkeiten und Möglichkeiten der Erneuerung fragen. Der Gemeinde vor Ort wiederum hilft sie, inhaltliche und finanzielle Prioritäten für die Zukunft zu setzen.
Für den Ludwigsburger Dekan ist es eine intensive Begegnung. Er führt Gespräche mit allen Pfarrern, den Diakoninnen, der Kirchenpflegerin, der Kantorin der Martinsgemeinde, der Leiterin der Sozialdiakonischen Gruppenarbeit und den Laienvorsitzenden der Kirchengemeinderäte. Er besucht Gottesdienste, geht in Kirchengemeinderatssitzungen, informiert sich über die Evangelische Allianz vor Ort, trifft sich aber auch mit dem katholischen Pfarrer Stefan Spitznagel und mit Oberbürgermeister Dr. Ulrich Rommelfanger. Er informiert sich über die Verwaltung, die Ausstattung der Pfarrbüros und die Aktenführung, macht sich über Befindlichkeiten und Besonderheiten kundig. Und streift dabei die ganze Bandbreite der Kornwestheimer Lebensrealitäten: „Von der Aldinger Straße direkt zum Oberbürgermeister – die Spanne von ganz unten bis ganz oben zu erfassen und näher zusammenzubringen, das ist etwas, was wir als Kirche noch besser bewerkstelligen müssen“, meint der Dekan in diesem Zusammenhang. Nicht zuletzt wegen dieser Erfahrungen findet Rabus: „Visitationen gehören zu den interessantesten Aufgaben meiner Tätigkeit.“
Für die Kirchengemeinden vor Ort sei das Gute daran, dass der Dekan „absolut keine Macht“ habe, wie Rabus sagt: „Ich bin zwar Dienstvorgesetzter, aber dennoch auf meine Überzeugungskraft angewiesen. Ich gebe meine Wahrnehmungen weiter und stoße Impulse an, zwinge aber niemandem etwas auf.“ Vielleicht liege es ja just daran, dass der Stein, den er ins Wasser werfe, „oft so positive Wellen schlägt“.
Die Visitation fällt in ein für die evangelischen Christen in Kornwestheim bedeutsames Jahr: Schließlich steckt die Gemeinde mitten in einem Umstrukturierungsprozess, der das Teilgemeinden-Modell ablösen soll und die Bildung einer einzigen Gesamtgemeinde zum Ziel hat – eine Entwicklung, die Hans-Frieder Rabus für richtig und notwendig hält (siehe „Nachgefragt“). „In einer Gesellschaft, die immer mehr zerfällt, steht eine Kirchengemeinde für eine Gesamtheit “, sagt er. Das Abrücken vom „Kornwestheimer Modell“ wecke zwar vermutlich bei einigen Gemeindegliedern die Angst vor Identitätsverlust. „Ich weiß aber, dass, wenn man die Identität in einen Wandlungsprozess einbringt, viel Gutes dabei herauskommen kann.“
Wichtig sei es, die Ehrenamtlichen entsprechend in die Umstrukturierung einzubetten. „Die ehrenamtliche Beteiligung in einer Kirchengemeinde lebt vom Nachbarschaftsprinzip. Man kennt sich und kann auch mal den einen oder anderen fragen, ob er an einer Aufgabe mitarbeiten will. Es ist wichtig, dass das durch die Neustrukturierung nicht verloren geht“, betont Rabus. „Kornwestheim ist aber nicht so groß, als dass man dieses nachbarschaftliche Gefühl nicht auch aus einer einzigen Gemeinde heraus erzeugen könnte.“ Er erwartet sich von einer neu strukturierten Gesamtgemeinde „mehr Zeit für Präsenz, weil weniger Zeit für Routine aufgewendet werden muss“.
Ihren Abschluss findet die Visitation am 8. November, wenn Rabus eine Sitzung des Gesamtkirchengemeinderates besucht. Für die in der evangelischen Kirche engagierten Kornwestheimer indes wird die Arbeit weitergehen. Sie wollen nicht nur die Strukturen transparenter gestalten und die Arbeit der in den Leitungsgremien Engagierten effizienter machen, sondern mit ihren Aktivitäten auch wieder mehr Menschen erreichen, die der Kirche fern stehen.
Nachgefragt
Frage: Wie erleben Sie die evangelischen Christen in Kornwestheim?
Dekan Rabus: Als sehr engagierte Menschen, die mit großem persönlichen Einsatz ihren jeweiligen Dienst für die Menschen tun. Mein Eindruck ist, dass die evangelischen Christen in Kornwestheim ihre Kirche schätzen. Es gibt, wie in jeder Kirchengemeinde, Leute, die eine genaue Kenntnis haben und das Gemeindeleben aktiv mittragen, und eine große Zahl von Leuten, die von der Kirche nur dann etwas möchten, wenn sie etwas brauchen. Wenn man die evangelische Öffentlichkeit in Kornwestheim am Gottesdienstbesuch misst, muss man sagen: Der Sonntagmorgen scheint für die Leute wenig attraktiv zu sein. Vielleicht hängt das auch damit zusammen, dass man es nicht mehr gewöhnt ist, eine lange zusammenhängende Rede anzuhören.
Frage: So lang sind die Predigten doch nicht.
Dekan Rabus: Nein, vielleicht eine Viertelstunde, 20 Minuten lang. Aber das gibt’s ja außer in SWR 2 in keinem anderen Medium mehr.
Frage: Sie hatten sich vor der Visitation gewünscht, die evangelische Gemeinde als Ganzes wahrzunehmen und nicht als Teilgemeinden. Ist das gelungen?
Dekan Rabus: Über die Gemeindeforen war die Wahrnehmung der Gesamtgemeinde sehr stark – was die darstellbaren Tätigkeiten der Gemeinde angeht. Das Erleben der Gemeinde, die informellen Kontakte, kann man bei so einer Präsentation allerdings nicht wahrnehmen. Das wird aber nachgeholt. Ich erfahre in den Sitzungen der Kirchengemeinderäte beispielsweise, wie die Beziehung zu der Pfarrerschaft ist und ob die Wege kurz und unkompliziert sind. Was ich selbstkritisch anmerken möchte: Das zweite Gemeindeforum ist hinter seinem eigentlichen Anspruch zurückgeblieben. Da war nämlich gewünscht, dass die Öffentlichkeit sich stärker beteiligt. Danach haben wir uns überlegt, ob es nicht besser gewesen wäre, das Forum an einem Abend durchzuziehen, um mehr Öffentlichkeit zu erreichen. Aber das war ja eine Premiere im Bezirk Ludwigsburg, da lernt man aus allem. Das Schöne ist: Fehler gibt’s da noch keine, weil ja noch keiner weiß, wie es richtig ist.Was ich noch nie erlebt habe und sehr schön fand: Dass da zwei Musliminnen bei einer fast innerkirchlichen Veranstaltung so selbstverständlich dabei waren. Ohne konkreten Anlass, einfach weil sie Nachbarschaft demonstrieren wollten. Das fand ich bemerkenswert. Eine schöne Geste.
Frage: Dem Wunsch „Weniger Teilgemeinde, mehr Gesamtgemeinde“ wird entsprochen, die Gemeinde arbeitet an einer Strukturveränderung. Warum ist das der richtige Weg?
Dekan Rabus: Überall kann man erleben, dass die Menschen die Kirche als Ganzes wahrnehmen und nicht in diesen innerkirchlichen Strukturen denken. Evangelische Kirche Kornwestheim ist evangelische Kirche Kornwestheim, und man kann froh sein, wenn die Leute noch wissen, wer die evangelische Kirche überhaupt ist. Zum Beispiel ist mir einmal passiert, dass ein katholischer Vater, dessen Kind ich nicht in den evangelischen Kindergarten übernehmen konnte, aus seiner Kirche ausgetreten ist, um mich zu strafen. Der hat gar nicht gemerkt, dass ich zur anderen Kirche gehöre.
Frage: Aber früher hatten die Teilgemeinden ja offensichtlich einen Sinn.
Dekan Rabus: Es hatte den Sinn, dass mit dem Wachstum der Stadt Kornwestheim die Kirche mit den Leuten ging. Das ist ja nach wie vor ein sinnvoll Ansatz: Die Kirche geht dahin, wo die Leute sind. Damals hatte man natürlich sowohl Geld, Bauten hinzustellen, und genügend Kirchensteuererwartungen, um Pfarrstellen auszuweisen. Jetzt ist eine Umkehrbewegung im Gang.
Frage: Woran muss die evangelische Gemeinde nach Ihren ersten Visitations-Erfahrungen arbeiten, um sich besser aufzustellen?
Dekan Rabus: Nach innen ist die Frage zu lösen: Wenn wir eine Gemeinde sind, wie schaffen wir es dann, dass die Leute das Bewusstsein einer Ortsgemeinde beibehalten und das Gefühle haben: Ja, das ist unsere Kirche. Es ist bei Fusionen oft eine Kunst, dass sich die Leute nicht mental abmelden. Es ist wichtig, dass das ehrenamtliche Engagement, von dem die Kirche lebt, beibehalten und in eine Gesamtgemeinde überführt wird – unabhängig von den Wohngebieten. Und nach außen müssen wir als Kirche deutlicher wahrnehmbar werden. In gesamtgemeindlichen Gottesdiensten, aber beispielsweise auch bei Stadtfesten, wo wir als eine Kirche auftreten.
Fragen von Susanne Mathes
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