Andacht- und Predigt Archiv
Zum Sonntag: Gedanken zum eigenen Geburtstag
Veröffentlicht am Sa, 19.02.2022
von Pfarrer Dr. Alois Krist
Mit vielen anderen darf ich heute meinen Geburtstag feiern. Was feiern wir eigentlich an unserem Geburtstag? Dass einer mich von Ewigkeit her gewollt hat, dass er gesagt hat: Sehr gut, dass es Dich gibt. Mein Leben gründet in dieser ewigen Tiefe Gottes und atmet seinen Ewigkeitshauch. Das gibt mir einen unendlichen Selbstwert, den ich mir nicht verdienen muss und den mir niemand absprechen kann. Weil er Ja zu mir sagt, darf ich zu mir Ja sagen. Nur wenn ich sein Ja auch mir selber zuspreche, kann ich meinen Nächsten bejahen. Viele Menschen können ihre Mitmenschen nicht akzeptieren, weil sie mit sich selbst im Clinch sind und ihre Selbstablehnung auf die Anderen übertragen. Der dänische Philosoph Sören Kierkegaard empfiehlt uns, schon morgens beim Blick in den Spiegel uns selber zuzusagen: „Heute wähle ich mich selbst“. Dies ist kein Egoismus, sondern Voraussetzung dafür, dass ich das Geschenk annehmen kann, welches mir Gott schenkt, indem er mich mir selbst und den Anderen schenkt. Ich wähle mich, heißt: Ich vertrete meine Meinung, ich bringe meine Begabungen ein, ich halte es aus, dass ich bisweilen mit meiner Meinung allein dastehe. Wenn ich meinen Part nicht einbringe, fehlt er und kann durch niemand ersetzt werden. Gott ist dabei sehr fehlerfreundlich: Er rechnet mit meinem Versagen und stärkt mir dann den Rücken, so dass ich wieder aufstehen und weitermachen kann.
An meinem Geburtstag darf mir neu aufgehen, dass Gott nur Originale erschafft und es macht die Tragik unseres Lebens aus, dass viele als Original starten und als Kopie enden, indem sie sich nur noch anpassen und sich verbiegen lassen. So, wie jedes von den Milliarden von Blättern an den Bäumen einmalig ist, so einmalig bin ich unter den Milliarden von Menschen. Ich darf originell sein, also ursprünglich, so, wie ich eben bin. Deshalb muss ich mich nicht mit Anderen vergleichen. Gott hat mir eine einmalige Lebensgeschichte geschenkt. Im Rückblick auf die vergangenen Jahre kann ich sagen, dass er mich immer geführt und getragen hat. Er mutet mir dabei auch Schwierigkeiten und Herausforderungen zu, doch im Nachhinein kann ich sagen, dass er auch die schwierigen Wegstrecken mit mir durchgegangen ist und daraus etwas Neues entstehen lässt. An meinem Geburtstag wird mir in besonderer Weise bewusst, dass es gilt, mehr das Gute zu sehen und zu danken und weniger zu schimpfen. Gottfried Benn sagte einmal: „Eines ist für mich bis heute unbegreiflich: Woher kommt das viele Gute, das jeden Tag geschieht?“
Pfarrer Dr. Alois Krist, Leitender Pfarrer Kath. Kirche Ludwigsburg
Zur ÜbersichtDie wöchentlichen Andachten
evangelischer bzw. ökume-
nischer Autorinnen und Autoren (Angedacht KWZ
und Zum Sonntag, LKZ)
werden zeitnah in diesem
Archiv erfasst.