Andacht- und Predigt Archiv
Zum Sonntag
Veröffentlicht am Sa, 17.03.2012
Morgen wird ein neuer Bundespräsident gewählt.
Aller Wahrscheinlichkeit nach wird er Joachim Gauck heißen.
Der gebürtige Mecklenburger geprägt durch die Erfahrung des durch die Sowjets verschleppten Vaters sammelte seine ersten politischen Erfahrungen als junger Pfarrer in Rostock-Evershagen, einem Stadtteil, in dem man noch heute sehen kann, was real existierender Sozialismus hieß. Unter dem Dach der Kirche organisierten sich damals weite Teile der Opposition gegen die Diktatur der SED. Joachim Gauck wurde einer ihrer Sprecher in Rostock und bald darüber hinaus. Die Forderung nach Demokratie und Freiheit standen damals im Mittelpunkt.
Von Martin Luther hat der studierte Theologe Gauck gelernt, dass Kirche nur dann Kirche ist, wenn sie sich als sich immerfort reformierende Kirche versteht.
Und so versteht er auch Freiheit und Demokratie: als eine Aufforderung zu beständiger Erneuerung. In der DDR war er Pfarrer in einer Kirche, die vor allem für die politisch Unterprivilegierten Heimat war. Als Beauftragter für die Stasiunterlagen lernte er dann das ganze Ausmaß staatlicher Willkür aus der Opferperspektive kennen.
Beides könnte eine gute Voraussetzung sein, um als streitbarer Präsident Freiheit und Demokratie nicht nur in Sonntagsreden zu feiern, sondern sie von den staatlichen Institutionen, aber auch von uns Bürgern in Gestalt von Mut und Zivilcourage einzufordern. Dass er dabei ein unbequemer Christenmensch bleibt, der in keine Schablone passt, zeigt sich für mich auch daran, wie er nach gescheiterter Ehe die bleibende Lebensgemeinschaft mit seiner Familie zu gestalten versucht. Ein solcher Präsident mit Ecken und Kanten könnte uns gut tun.
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