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Wut- oder Mutbürger?
Veröffentlicht am So, 02.01.2011
Sind sie ein Wutbürger? Mal Hand aufs (wild schlagende) Herz, oder besser - auf den brennenden Bauch, - auch so im Rückblick auf 2010? Kocht es gerne mal in ihnen, wenn die Dinge nicht so laufen, wie sie es sich wünschen? Bricht dann regelmäßig der Heilige Zorn aus ihnen heraus? Sie wären worttechnisch gesehen 2010 in bester und ansonsten vermutlich in breiter Gesellschaft.Wut ist ja ein seltsames Phänomen, sie besitzt höchste Ansteckungsgefahr: Beginnt erst mal einer damit, seinem Unmut Luft zu machen, kann es sein, dass innerhalb kürzester Zeit eine ganze Gruppe, Schulklasse oder Familie sich in Rage befindet, und alles was bisher wichtig und heilig schien wird von ihr versehrt und niedergebrannt. Umgekehrt – äußert sich einer oder eine gelassen und freundliche zur selben Situation, dann verpufft die Wut oft genug und wird zu dem was sie nicht selten auch ist, ein Gefühl, das, so scheint es manchmal, fast so etwas wie ein Eigenleben besitzt, es braucht gar keinen triftigen Grund, es kann sich an allem entzünden und wirkt dabei unglaublich berechtigt – bis es verpufft.Dass der Wortschöpfer seine Wutbürger gerade bei Bewegungen wie den Demonstrationen gegen Stuttgart 21 oder gegen die Castor-Transporte zu finden meint, wundert mich ein bisschen, denn ganz egal, wie man dazu stehen mag, überzeugten diese Bewegungen doch vor allem durch ein hohes Maß an Selbstdisziplin. Kritik in der Sache und Wut gegen Intransparenz – Ja, aber alles verzehrende Wut?Wut wird in der Seelsorge auch als Teil eines Trauerprozesses gesehen, darüber, dass sich etwas im Leben grundlegend geändert hat und neu sortiert werden muss und als Teil des Prozesses von Vergebung, die man selbst benötigt und anderen gewährt. Wut gehört zu beidem unbedingt dazu, ist aber bei weitem nicht alles. Es geht um Veränderung. Aus dem, was uns die Wutbürger ins Bewusstsein gerufen haben könnte also etwas werden, vielleicht mehr Demokratie, mehr gesellschaftliches Mitwirken, mehr bürgerschaftliches Selbstbewusstsein und Verantwortungsgefühl. Dann würden die Wutbürger von 2010 vielleicht unversehens zu den Mutbürgern von 2011. Wäre doch eine gute Perspektive. Ein mutiges und – das beinhaltet das erste - gesegnetes neues Jahr Ihnen allen!
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