Andacht- und Predigt Archiv
Wertvoll ist, was man nicht immer hat
Veröffentlicht am Fr, 10.02.2012
In dieser Woche ist mir zum ersten Mal aufgefallen, dass es beim Abendglockenläuten um 18.00 Uhr nicht mehr ganz dunkel ist und ein Rest des Tageslichtes noch wahrzunehmen ist. Die Tage werden wieder länger. Die Zeit winterlicher Dunkelheit ist vorbei. Auch wenn es zur gerade sehr kalt ist, und ein Ende der Kältewelle noch nicht abzusehen ist, ist das längere Tageslicht doch ein Zeichen dafür, dass der Winter sich dem Ende zuneigt und der Frühling bevorsteht. Man nimmt die Eiseskälte wahr und weiß doch, dass es bald anders kommen wird.
Viele sehnen sich nach der wärmeren und helleren Jahreszeit. Bringt sie doch viele Möglichkeiten mit sich, die im Winter verschlossen sind. Man kann draußen sitzen und die Natur hautnah wahrnehmen. Die vielen warmen Kleider, die man jetzt noch braucht, können im Schrank verstaut werden. Morgens muss man das Auto nicht mehr freikratzen. Es macht wieder mehr Freude mit dem Rad zu fahren. Bewegung an der frischen Luft fällt wieder leichter.
Aber würde man das alles schätzen, wenn es das ganze Jahr über immer in gleicher Weise zu haben wäre? Ist das, was selbstverständlich vorhanden ist und nie vermisst wird, noch einer Freude wert?
Umgekehrt gesagt: Ist das nicht nötig, dass man Schönes nicht immer und zu jeder Zeit haben kann,
um es zu schätzen und sich wirklich daran zu freuen?
Ich denke, dass wir all das, was wir so ganz selbstverständlich nehmen und haben, nicht in der rechten Weise schätzen können. Wertvoll ist nur, was nicht allezeit verfügbar ist. Wer sich an jedem Tag einen Festtagsbraten leisten kann, wird darüber sehr bald nicht mehr besonders glücklich sein.Diese Weisheit nimmt eine alte Tradition der christlichen Kirchen auf. Es ist die Tradition des Fastens.
In der Zeit vor Ostern war es in früherer Zeit üblich auf Fleisch zu verzichten. Dieser äußerliche Vorgang ging einher mit einem inneren Erleben, einer tieferen Besinnung auf das eigene Leben, auf den Sinn des eigenen Lebens, oder eine Besinnung auf die eigene Beziehung zu Gott. Dieser Zusammenhang ist leicht erklärbar. Was man nicht immer hat, was man nicht selbstverständlich nehmen kann oder will, lässt Dankbarkeit empfinden, Dankbarkeit gegenüber Gott oder auch gegenüber Menschen, die helfen das eigene Leben zu fristen.
Aber der angenehme Nebeneffekt ist, dass Verzicht auf Zeit, Freude und Genuss umso größer macht. Vielleicht lohnt es sich nach dem Motto „Sieben Wochen ohne“, der Fastenaktion der Evangelischen Kirche, auf etwas zu verzichten, was uns wertvoll erscheint. Fleisch ist nur ein Beispiel. Es kann auch das Fernsehen sein, Surfen im Internet außerhalb der Arbeit oder Alkohol. Es lohnt sich darüber nachzudenken. Vielleicht werden Sie fündig und probieren einen Verzicht aus, der zu Ihnen passt.
Die wöchentlichen Andachten
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