Andacht- und Predigt Archiv
Versöhnung oder Vergeltung?
Veröffentlicht am Fr, 13.05.2011
von Bettina Zehner
Diakonin, Evang. Kirchengemeinde Kornwestheim - Diakonat
-
Bei der nächsten Kinderbibelwoche im Sommer ist unser Thema die Josefsgeschichte. Nicht der aus der Weihnachtsgeschichte, sondern der aus dem Alten Testament. Immer wieder bin ich sehr erstaunt, was alles in diesen alten Geschichten steckt. Besonders die Geschichten um Josef haben es in sich: es geht um Familienstreit, Überheblichkeit, Eifersucht, Unrecht, Karriere, Umgang mit Verantwortung, Schuld und Versöhnung, also Themen, die auch uns heute noch sehr nahe sind und uns alle betreffen. Was passierte in der Geschichte? Jakob hatte insgesamt 12 Söhne, aber Josef war sein Liebling, ihn zog er allen anderen vor. Und Josef war sich auch bewusst, dass er der Liebling seines Vaters war. Diese Situation, löste bei den älteren Brüdern so viel Neid, Eifersucht, Aggressionen und Hassgefühle aus, dass sie Josef bei günstiger Gelegenheit als Sklaven nach Ägypten verkauften. Dem Vater gaukelten sie vor, dass sein Lieblingssohn von einem wilden Tier getötet worden wäre. Josef erlebte in Ägypten Höhen und Tiefen, aber zuletzt machte er mit Hilfe Gottes als Traumdeuter eine steile Karriere und wurde der Stellvertreter des Pharaos. Josef führte die Regierungsgeschäfte gut und vorausschauend und legte, da eine große Hungersnot vorhergesagt wurde, viele Vorräte an. Während dieser Hungersnot schickte Jakob seine 10 Söhne nach Ägypten, um dort Getreide zu kaufen. Und natürlich trafen die Brüder aufeinander. Josef erkannte seine Brüder sofort – sie ihn jedoch nicht.Wie Josef sich wohl gefühlt hat, als er plötzlich seinen Brüdern gegenüber stand? Was soll er tun? Sich rächen, es ihnen heimzahlen, oder würde es irgendwie zur Annäherung, gar zur Versöhnung kommen? Josef schwankt zwischen Wut, Trauer und Mitleid, zu groß sind die Verletzungen. Die Wende trat ein, als einer der Brüder seine Schuld eingestand und für den kleinsten Bruder Benjamin Verantwortung übernahm. Erst jetzt konnte sich Josef zu erkennen geben und es kam daraufhin zu einer Familienzusammenführung in Ägypten.Die Bibel beschreibt leider nicht, ob und wie die Familie die ganzen Probleme bearbeitet und löst. Am Ende ist nicht alles gut, es herrscht nicht Friede, Freude, Eierkuchen, aber die Brüder können sich einander vergeben und sich versöhnen.Das, was da passiert, hat auch etwas mit uns zu tun. In jeder der Personen können wir uns wahrscheinlich ein Stück wiedererkennen. Auch wir erleben Ungerechtigkeit und Zurücksetzung. Auch wir sind nicht immer gerecht und behandeln manchmal, meist unbewusst, unsere Kinder unterschiedlich. Auch wir kennen Situationen, in denen wir uns rächen (möchten). Wie hätten wir anstelle der Brüder gehandelt? Anstelle von Josef? Wie gehen wir mit Schuld um, mit Lügen? Bringen wir den Mut auf, den ersten Schritt zu tun? Welch Möglichkeiten gibt es, verfahrene Situationen zu lösen?
Zwei Dinge werden mir durch diese Geschichte deutlich. Zum Einen: in Konflikten gibt es meist nicht einen Schuldigen, nicht eine Ursache: jeder macht hier Fehler, erfährt Leid und wird schuldig und muss damit leben. Und zum anderen: Veränderungen und Neuanfänge sind möglich, es muss nicht zwangsläufig negativ weiter gehen, es gibt die Möglichkeit aus dem Kreislauf von Schuld und Verletzung auszusteigen.
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