Andacht- und Predigt Archiv
Nach dem anderen sehen
Veröffentlicht am Sa, 19.02.2011
„Geh hin und sieh, ob´gut steht um deine Brüder“ (1.Mose 37, 14)Die älteren Brüder Josefs weiden ihre Herden auf fernen Weideplätzen. Also weist Jakob den zuhause gebliebenen Sohn Josef an, die Brüder aufzusuchen und zu sehen, „ob´s gut um sie steht“. Eine Selbstverständlichkeit, sollte man meinen, zumal innerhalb von Familien, dass man aufeinander achtet und nacheinander schaut. Doch was bei Jakob und seinen Söhnen zunächst so beispielhaft und vorbildlich daherkommt, trügt. In Wahrheit hat Josef kein gutes Verhältnis zu seinen Brüdern. In Wahrheit sind sie einander spinnefeind. Josef kommt oft hochtrabend und eingebildet daher und seine Brüder neiden ihm die Bevorzugung durch den Vater. Schließlich kommt es zum Äußersten. Josef wird von den Brüdern überwältigt und als Sklave nach Ägypten verkauft.In meinem Beruf erlebe ich leider sehr häufig, dass erwachsene Geschwister nicht mehr miteinander reden. Dass sie einander aufgegeben haben oder nichts mehr von einander wissen, manchmal auch in derselben Straße wohnen und sich trotzdem nicht begegnen. Das ist eine sehr schmerzhafte Sache für alle Beteiligten. Für mich als Außenstehenden ist es dann meistens unmöglich, das ganze Ausmaß des Konflikts zu ermessen, der ja häufig in der Kindheit seine Wurzeln hat und in dem auch nicht selten, wie im biblischen Beispiel, die Eltern eine zumindest problematische Rolle gespielt haben bzw. noch spielen. Oft wundere ich mich auch, wie gut ich mich mit beiden Parteien verstehe und welche Chancen damit in echter Versöhnungsarbeit lägen. Was mir dann zu tun bleibt, ist die Geschwister auf eine gute Art und Weise daran zu erinnern, dass nicht nur die frischen Streitigkeiten, sondern auch die alten, längst still gelegten Beziehungen uns noch angehen. Einen Bruder oder eine Schwester einfach loszuwerden, ist keine Lösung im Sinne Gottes. Vielmehr ist Geduld gefragt und die beharrliche Suche nach dem Frieden. Dann sind oft auch nach vielen Jahren echte Wunder möglich.
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