Andacht- und Predigt Archiv
Kniender Doge
Veröffentlicht am Fr, 11.11.2011
von Bettina Zehner
Diakonin, Evang. Kirchengemeinde Kornwestheim - Diakonat
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Kniender Doge
In den Herbstferien habe ich eine Städtereise nach Venedig gemacht. Schon beeindruckend, was Menschen dort vor über tausend Jahren aufgebaut haben. Eine Stadt, später ein Stadtstaat, dem Wasser abgetrotzt, gebaut auf Millionen von Eichenpfählen. Venedig entwickelte sich zu einer Großmacht, die lange Zeit ihre Vormachtstellung in der Adria behauptete; eine Handels- und Seemacht, die mit allen Herren Länder Handel trieb und überall auf der bekannten Welt Kaufmannskolonien hatte, eigentlich so etwas wie ein erster „global player“. Beindruckende Paläste und große und reich geschmückte Kirchen wurden gebaut, an Künstlern versammelte sich dort alles was Rang und Namen hatte. Der Führer der Republik Venedig war der Doge.
Er war ein mächtiger politischer Herrscher, der auch richterliche und militärische Funktionen innehatte. Bis ins Mittelalter hinein hatte er beinahe uneingeschränkte Macht, dann verlagerten sich seine Aufgaben immer mehr in den repräsentativen Bereich. Auf Gemälden, die Szenen aus der Geschichte Venedigs darstellen, sind die Dogen immer leicht zu erkennen: Sie tragen eine Art Krone und einen Mantel aus Hermelinfell mit goldenen Knöpfen. Aber viel leichter als an ihrer Kleidung, sind sie daran zu erkennen, dass sie stets kniend dargestellt wurden. Der Mächtigste im Stadtstaat auf den Knien. Eine interessante Art, den Amtsinhabern immer wieder zu vergegenwärtigen und zu verdeutlichen, was die Aufgabe eines Dogen, des mächtigsten Mannes ist.
Der Mächtigste soll der erste Diener der Republik sein. Ein Doge führt und vertritt die Republik, aber er ist nicht die Republik. Dogen kommen und gehen, übernehmen wichtige und verantwortungsvolle Aufgaben, aber es geht nicht um ihre Person (Standbildern von Dogen gibt es übrigens auch nicht), an erster Stelle steht die Republik. Einem Dogen zeigte diese Darstellung so immer wieder seinen Stellenwert und Platz auf. Die Venezianer damals hatten glaube ich, eine wirklich tiefe Menschenkenntnis und wussten um die Gefahr, die davon ausgeht, wenn ein Mensch zu viel Macht innehat. Viele drohen sich dann selbst zu überschätzen und sich selbst in den Mittelpunkt zu stellen und darüber die eigentliche Aufgabe zu vergessen. Das sehen wir doch auch heute an denen, die sich selbst für so wichtig halten, sich aufplustern und in der vorteilhaftesten Pose zeigen, an ihren Sesseln kleben, Reformen blockieren, und noch schlimmer, das eigene Volk unterdrücken und ausbeuten. Mächtige in kniender Haltung darzustellen, um ihnen so ihren Platz zu zeigen. Also, das ist doch mal eine erfrischend alte Idee, über die es sich lohnen würde nachzudenken.
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