Andacht- und Predigt Archiv
Herbsttag
Veröffentlicht am Sa, 30.09.2006
Herr: es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.
Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,
und auf den Fluren laß die Winde los.
Befiehl den letzten Früchten voll zu sein;
gib ihnen noch zwei südlichere Tage,
dränge sie zur Vollendung hin und jage
die letzte Süße in den schweren Wein.
Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.
Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben
und wird in den Alleen hin und her
unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.
Rainer Maria Rilke
Ja, der Sommer war sehr groß. Was haben wir nicht alles gefeiert: eine fröhliche, spannende Fußball-WM, Ferien für die Kinder, Urlaubstage für die Erwachsenen, Straßen-, Stadt- und Gartenfeste. Jetzt aber werden die Tage wieder kürzer, die Morgen und Abende kühler, die Sonnenstrahlen weniger. Und so mischt sich beides in das Lebensgefühl Ende September, das Rainer Maria Rilke so treffend in seinem Gedicht beschreibt: die Freude über die vollen Obstbäume und die leuchtenden Trauben, der Geruch von frisch gemosteten Äpfeln und frischem Zwetschgenkuchen verbindet sich mit der Melancholie der nebelverhangenen Wiesen und tauglänzenden Spinnweben. Die dunkle Jahreszeit kommt, die Blätter werden treiben und so mancher wird wohl den sonnigen Tagen hinterhertrauern.
Die Kirchen aber feiern in diesen Tagen: Geschmückte Altäre und bunte Gottesdienste erinnern daran, dass unsere Lebensmittel ein Geschenk sind, für das wir Gott und denen, die zu ihrem Wachstum beitragen, danken. Und es will gegen Fleischskandale und Billigprodukte den Wert der Lebensmittel betonen und dazu anstiften, verantwortungsvoll und bewusst mit ihnen umzugehen. Denn „solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Tag und Nacht“, so verspricht es uns Gott (1. Mose 8,22). Auch ein neuer Sommer wird kommen, und mit ihm weitere Feste. Gott sei Dank.
Die wöchentlichen Andachten
evangelischer bzw. ökume-
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