Andacht- und Predigt Archiv
Göttliche Wahrheiten und menschliches Wissen
Veröffentlicht am Fr, 10.11.2006
von Karlheinz Hering
Pfarrer, Evang. Kirchengemeinde Möglingen
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Pfarrer, Evang. Kirchenbezirk LB - Bezirksämter
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„Göttliche Wahrheiten sind zwar ewig, aber das menschliche Wissen davon schreitet voran. Deshalb kann keine einzelne Religion für sich beanspruchen, im Alleinbesitz der Wahrheit zu sein.“ - Dieses Zitat stammt nicht von einem liberalen christlichen Theologen, sondern von dem muslimischen Theologen und Philosophen Abdolkarim Sorusch. Früher war er ein glühender Anhänger von Chomeini, heute ist er ein scharfer Kritiker der Islamischen Republik im Iran.
Ein Dreifaches können wir Christen aus diesen Sätzen für den Umgang mit Muslimen lernen. Erstens: Es gibt nicht „den Islam“, sowenig wie es „das Christentum“ gibt. Alle Muslime über einen Kamm zu scheren wäre genauso verhängnisvoll wie dies bei den Christen zu tun. Zweitens: Es gibt neben dem fundamentalistischen auch einen liberalen Islam, der dabei ist, sich die Werte der Aufklärung anzueignen. So wie es auch im Christentum unterschiedliche Anschauungen und Auffassungen gibt. Drittens: Mit den liberalen, weltoffenen Formen des Islam müssen wir das Gespräch suchen. Nur so können wir verhindern, dass sie sich von unserer Gesellschaft abschotten, sich radikalisieren und schließlich gewalttätig werden.
Am glaubwürdigsten tun wir dies, indem wir uns zu unserem christlichen Glauben bekennen und gleichzeitig Toleranz üben gegenüber Andersgläubigen wie Andersdenkenden; indem wir selbstbewusst zu unseren von Christentum und Aufklärung geprägten Werten stehen.
Denn die göttlichen Wahrheiten sind zwar ewig, nicht aber unser menschliches Wissen davon.
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