Andacht- und Predigt Archiv
Die Wahl haben
Veröffentlicht am Fr, 01.04.2011
Japan, Libyen – Nachrichten, die in Bann ziehen, die Angst und Entsetzen auslösen. Und auch das Gefühl der Ohnmacht, je mehr ich sehe, je öfter ich höre - auch dass eigentlich nichts Neues oder Genaueres gesagt werden kann.
Wie andere bin ich froh, dass nicht hier der Kern eines Atomkraftwerks schmilzt, aber ist es für die Menschen in Japan weniger schlimm?!
Wie andere möchte ich nicht, dass deutsche Soldaten in Libyen Krieg führen. Es ist aber auch nicht besser, wenn andere es tun.
Ohnmächtig Zuschauen – das ist nicht auszuhalten.
Waffen an die Aufständischen? Macht das Sinn? Bisher gingen die Waffen an die andere Seite.
Diese Zeit, die Wochen bis Ostern sind Erinnerung an Jesu Weg bis an sein Ende. Der Tod am Kreuz war die Erfahrung größter Ohnmacht für die Freundinnen und Freunde, für seine Mutter, für ihn selbst. Gott wird Mensch bis in die äußersten Erfahrungen der Ohnmacht hinein. Mitten am Tag wird es Nacht.
Ostern – das ist ein Zeichen gegen die Ohnmacht für mich, die ich solche Zeichen suche. Nicht ohnmächtig, alternativlos Entwicklungen, Katastrophen zusehen müssen, sondern die Wahl haben, Zeichen setzen können, Erfahrungen, die aus der Ohnmacht herausführen, ohne Gewalt anzuwenden.
Manchmal scheint die Zeit dafür vorbei zu sein. Welche Möglichkeiten bleiben den Frauen, Männern und Kindern in Japan? Haben die Kämpfer gegen Gaddafi in Libyen eine Alternative, wenn sie berechtigterweise mehr Demokratie, Selbstbestimmung, Freiheit wollen?
Die Wahl zu haben, nicht ohnmächtig oder alternativlos zu sein, das ist ein hohes Gut. Es sind persönliche Entscheidungen darüber, woher die Lebensmittel kommen, die ich kaufe, ob die Kleider, die ich trage, unter fairen Bedingungen hergestellt werden. Es sind persönliche und gesellschaftlich-politische Entscheidungen über Energieverbrauch und Energiegewinnung, über die Abhängigkeit der Politik von Wirtschafts- und Finanzinteressen.
Uns und andere nicht in scheinbar alternativlose Situationen zu führen, in Ohnmachtserfahrungen, die nicht auszuhalten sind oder aus denen scheinbar nur noch Gewalt heraus führt, das ist für mich in diesem Jahr eine besondere Botschaft der Passions- und Osterzeit.
Die wöchentlichen Andachten
evangelischer bzw. ökume-
nischer Autorinnen und Autoren (Angedacht KWZ
und Zum Sonntag, LKZ)
werden zeitnah in diesem
Archiv erfasst.