Andacht- und Predigt Archiv
Der Wurm ist drin…
Veröffentlicht am Fr, 07.10.2011
Der Wurm ist drin…
Drei Tage und Nächte sitzt der arme Kerl im Bauch des großen Fisches. Jona merkt, dass Gott sich nicht hereinlegen lässt.
Heimlich verdrücken wollte er sich eigentlich. Denn Gott hatte ihm einen unangenehmen Auftrag gegeben. Der Stadt Ninive sollte er die Wahrheit sagen. Er drückte sich. Und auf Umwegen landete er im Bauch des Fisches. Nach drei Tagen wird er wieder an Land gespuckt. Und erhält nochmals den gleichen Auftrag.
Jetzt geht er nach Ninive, predigt der Stadt das Urteil Gottes.
Die Bewohner erschrecken zu Tode. Sie ändern ihren Lebenswandel.
Gott lässt sich umstimmen, die Stadt wird verschont, und unser Jona ist sauer: „Das aber verdross Jona sehr“, heißt es in der Bibel, „und er ward zornig.“
Wenn du schon vergibst, warum dann der ganze Aufwand?
Beleidigt zieht Jona ab vor die Tore der Stadt, setzt sich in den Schatten einer Hütte und schmollt.
Gott merkt wohl, dass er dem Jona vielleicht doch etwas entgegenkommen sollte, und lässt über Nacht eine Rizinusstaude wachsen. Dass sie mit ihren großen Blättern dem armen Tropf Schatten spende in der Gluthitze „und ihm hülfe von seinem Unmut“, wie die Bibel begründet.
Jonas Laune bessert sich tatsächlich. Wir treffen ihn im Schatten des Rizinus sitzend vor seiner Hütte. Das scheint nun wieder Gott zu viel des Guten.
Er lässt einen Wurm kommen, die Rizinusstaude zu stechen. Dies geschieht. Der Wurm ist drin. Die Staude verdorrt und geht ein.
Verstehen Sie das? Jona hat es auch nicht verstanden. Und nicht nur das: Gott plagt den armen Kerl auch noch mit einem heißen Wüstenwind. Das gefällt auch Jona ganz und gar nicht. Er bekommt einen Sonnenstich und will sterben. Was nun wiederum Gott nicht gefällt. Es kommt zu einer erneuten Auseinandersetzung.
Hier schließt das Buch Jona. Wir wissen nicht, wie die Meinungsverschiedenheit zwischen den beiden ausgegangen ist. Gott meint jedenfalls, wer Mitleid habe mit einer Rizinusstaude - und vielleicht noch mehr mit sich selbst, der müsse auch Mitleid haben mit den 120 000 Menschen in der Stadt Ninive. Womit er sicherlich nicht ganz unrecht hat!
Die Erzählung von Jona ist eine dieser großartigen Geschichten der Bibel, die uns und unseren Denk- und Verhaltensweisen augenzwinkernd einen Spiegel vorhält!
Oder haben Sie sich noch nie darüber geärgert, dass anderen etwas zugefallen ist, was „denen“ Ihrer Meinung nach eigentlich gar nicht zusteht?
Dekan Winfried Speck, Ludwigsburg
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