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Der Papst und ich
Veröffentlicht am Fr, 23.09.2011
Der Papst und ich
Über den Papstbesuch wird auf allen Kanälen derzeit heftig diskutiert. Diskussionen über Formen und Kosten sind sicherlich berechtigt. Ich frage mich aber, warum die Diskussionen oft so aufgeregt, ja aggressiv geführt werden. Ich frage mich das als Protestant, der gewiss viele Fragen zum Amt eines Papstes überhaupt, zu Lehrmeinungen der römisch-katholischen Kirche und auch zu den Positionen hat, die Benedikt XVI. persönlich betont. Dazu gehört auch, dass er maßgeblich an Verlautbarungen mitgewirkt hat, die uns Protestanten lediglich als „kirchliche Gemeinschaft“ aber nicht als vollwertige Kirche sehen. Auch wenn uns solche Verlautbarungen weh tun und nicht dem entsprechen, was wir hier in Kornwestheim in einer Ökumene auf Augenhöhe leben, freue ich mich mit den fast 25 Millionen Katholiken in Deutschland über diesen Besuch.
Ich frage mich: Schwingt bei der teilweise erbitterten Kritik an dem Papstbesuch nicht noch mehr mit? Kommt hier nicht eine Abneigung gegen alles zum Ausdruck, was von oben kommt? Moderne Menschen wollen selbst entscheiden. Sie fürchten Bevormundung, den erhobenen moralischen Zeigefinger, Einmischung in ihr Leben, in ihre Privatsphäre, die andere andere nichts angeht.
Richtig ist, dass jeder Mensch selbst entscheiden muss, was er denkt und glaubt, wie er sein Leben gestaltet, beruflich, familiär, auch im Blick auf seine Sexualität. Da ist das Gewissen gefragt. Aber braucht unser Gewissen nicht auch Maßstäbe? Brauchen wir für unsere Entscheidungen nicht Orientierung?
Großereignisse wie Kirchentage oder auch jetzt der Besuch des Papstes erinnern daran, dass es noch mehr gibt als unsere eigenen persönlichen, subjektiven Wünsche und Bedürfnisse. Sie sind öffentlich wahrnehmbare Erinnerungen an die Botschaft Jesu. Dieser wurde nicht müde zu sagen: Der Mensch lebt nicht aus sich selbst und nicht nur für sich selbst. Er lebt nicht vom Brot allein, vom Materiellen, sondern er braucht das göttliche Wort. Er braucht die befreiende und heilende Liebe, die von oben kommt. Und er braucht den Blick von sich weg, auf den Mitmenschen. Alles, was der Mensch tut oder lässt, geschieht in einer „Dreierbeziehung“ von Ich, Du und Gott. Alles, was ich mache oder unterlasse, will verantwortet sein vor meinem Gewissen, aber auch vor meinem Mitmenschen und nicht zuletzt vor Gott.
Das kann als Einmischung verstanden werden in menschliche Autonomie. Das mag oft unangenehm sein, weil ich so nicht mehr einfach machen und treiben kann, was mir einfällt, mir Lust und Spaß macht oder meinen eigenen Interessen dient. Aber es öffnet den Horizont und verhindert, dass wir zu einer Gesellschaft von Individuen werden, die in sich selbst verliebt sind und nur an sich denken. Solche Erinnerung ist nötig, auch wenn sie manchmal ärgerlich ist. Ich hoffe, dass der Papstbesuch zu solch herausfordernder, aber letztlich heilsamer Erinnerung beiträgt.
Christoph Rau
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