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Ostern – oder: Verletzlichkeit macht lebendig
Veröffentlicht am Fr, 22.04.2022
von Katrin Sältzer
Pfarrerin, Evang. Kirchengemeinde Kornwestheim - Pfarramt Heilig-Geist-Kirche
-
Dabei ist es genau andersherum: Wirkliche Stärke kommt nicht ohne Verletzlichkeit aus. Das klingt widersprüchlich. Stark scheint nur zu sein, wer die Sache jederzeit im Griff hat. Schwäche kann sich niemand erlauben. Doch wenn ich mich an Menschen erinnere, die ich für ihre Stärke bewundere, dann haben sie immer auch eine andere Seite. Sie sind gerade nicht perfekt. Und es macht sie stark, dass sie dazu stehen. „Die Macht der Verletzlichkeit“ nennt das die amerikanische Sozialforscherin Brené Brown. Sie meint damit, dass letztlich der Mut, unsere verletzliche Seite zu zeigen, das Leben reicher macht. Denn nur so können wir eine ehrliche Beziehung zu anderen aufbauen. Und ohne die ist ein gutes Leben kaum möglich.
Verletzlichkeit ist eine Macht. Das könnte auch die Überschrift für die Ostergeschichte sein. Auch da wird Verletzlichkeit zu einer Stärke. Hass führt nicht zu mehr Hass, der Kreislauf wird unterbrochen und es wird Liebe daraus. Ein Ermordeter steht wieder auf. Der Gekreuzigte ist Sieger. Auch das klingt widersprüchlich. Verletzlichkeit macht lebendig. Diese Erfahrung steckt in der Geschichte von Jesu Tod und Auferstehung.
An Ostern glauben heißt dann, dass ich dieser Umkehrung vertraue. Das Widersprüchliche nehme, wie es ist und es aushalte. Den ganzen Mut zusammen nehme und zur eigenen Schwachheit stehe. Und dann merke, wie daraus auf wundersame Weise Leben wächst. Das ist riskant. Aber die Erfahrung anderer nützt mir nichts, wenn ich mich nicht selbst darauf einlasse. Ich muss es am eigenen Leib erfahren: Verletzlichkeit macht mich lebendig. Dann wird es Ostern. Nicht nur damals und nicht nur einmal im Jahr, sondern immer wieder.
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