Andacht- und Predigt Archiv
Angedacht
Veröffentlicht am Fr, 22.09.2006
„Preise für Marmorwaschbecken fallen rasant“ lese ich in einer Zeitungsmeldung. Beigefügt ist ein Foto von indischen Kindern, die in einem Marmorsteinbruch mit Spitzhacken arbeiten. Sie verdienen pro Tag zwischen 73 Cent und einem Euro. Das Geld reicht kaum für das tägliche Essen, von Schulbesuch und Gesundheitsvorsorge keine Rede. Betroffen sind ungefähr 200 000 Kinder, und die Steinbruchbesitzer stehen unter einem solchen Preisdruck, dass sie selbst diese Hungerlöhne nicht halten können.
Was geht mich das an? Wenn ich ein solches Marmorwaschbecken kaufe, akzeptiere ich, dass in einer indischen Steinhauerfamilie die Kinder unter entwürdigenden Bedingungen Schwerarbeit leisten müssen, weil das Einkommen der Eltern nicht zum Leben reicht.
In einer seriösen Studie zur Weltwirtschaft lese ich, dass ich mit jedem Einkauf aus dem Lebensmittelregal oder dem Kleiderständer darüber entscheide, ob ich den Produzierenden gerechte Löhne, Bildung, Gesundheits- und Altersvorsorge zubillige oder nicht. Wenn ich das „günstigste“ Angebot wähle, bekomme ich in der Regel eine Ware, in deren Preis keine Kosten für ein menschenwürdiges Leben der Herstellenden einkalkuliert sind. Bei Produkten aus Deutschland und vergleichbaren Staaten hingegen zahle ich für die soziale Sicherung der Produzierenden mit. Die Folge ist, dass die Masse der „Geizkäufe“ hierzulande Arbeitsplätze vernichtet und die Macht der ausbeuterischen Unternehmen stärkt.
Wenn ich bei diesem üblen Spiel nicht mehr mitmache, folge ich Jesu Wort: „Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und seiner Gerechtigkeit, dann wird euch alles zufallen, was ihr zum Leben braucht!“ Ich bemühe mich beim Einkaufen dafür zu sorgen, dass diejenigen, die den Artikel gemacht haben, auch bekommen, was sie zum Leben brauchen. Das dafür notwendige Informieren und bewusste Entscheiden macht mich nicht arm, sondern bereichert mein Leben. Ich kenne sogar ehemals Arbeitslose, die nach dieser Umstellung eine fair bezahlte Beschäftigung fanden.
Pfarrer i. R. Dr. Ernst Worbs, Kornwestheim
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