Trauern mit Einschränkungen
Veröffentlicht am Fr, 20.11.2020
von Annette Rüb
Pfarrerin, Evang. Kirchengemeinde Kornwestheim - Pfarramt Thomaskirche
Einander die Hand geben. In den Arm nehmen. Das tut gut. Nach der Feier auf dem Friedhof bei Kaffee und Hefezopf zusammensitzen. Erinnern und Erzählen. Miteinander Lachen und Weinen über gemeinsam Erlebtes.
Das Abschiednehmen in Corona-Zeiten ist anders. Wir sollen Besuche einschränken. Auf das Singen beim Trauergottesdienst verzichten. Abstände müssen eingehalten und Namenslisten angelegt werden. Die Teilnahme an Trauerfeiern ist begrenzt. An den Anblick, dass ich mit den Angehörigen mit Mund-Nasenschutz an den Gräbern stehe, habe ich mich immer noch nicht gewöhnt.
Wie selbstverständlich haben wir noch im vergangenen Jahr den Hinterbliebenen die Hand gegeben, um unser Beileid auszudrücken. Ein Zuwinken im gebotenen Abstand kann das nicht ersetzen. Die meisten fühlen sich auch unwohl dabei. Oft wird gerade in diesem Moment bewusst, wie merkwürdig fremd wir uns verhalten.
Die Vernunft begreift vieles, was nötig ist, um die Ausbreitung der Pandemie zu begrenzen. Das Herz sehnt sich, gerade wenn es von Traurigkeit schwer ist, nach Umarmungen und der Nähe von vertrauten Menschen. Das ist ein Dilemma. Abschiednehmen braucht seinen Raum und seine Ausdrucksmöglichkeiten. Wir tun uns schwer damit in diesen Monaten.
„Ich lese schon zum fünften Mal den Brief, den mir meine Schwester nach dem Tod meines Mannes geschrieben hat.“, sagte eine Trauernde, „sie kann mich wegen Corona nicht besuchen.“
Am kommenden Sonntag ist Totensonntag. Ein Tag, an dem in unseren Kirchen der Verstorbenen gedacht wird. Vielleicht wird zuhause eine Kerze angezündet. Beten. Ein Besuch auf dem Friedhof, ganz in Ruhe und im kleinen Rahmen. Telefonieren. Ein tröstliches Lied oder schöne Musik anhören. Oder einfach nur daran denken, dass ein besonderer Tag ist. Daran denken, dass Trauernde auch Hoffende sind. Auf einen Gott, der Nähe und Leben bereithält – ohne Einschränkungen. Auch wenn wir das oft weder sehen noch begreifen können.
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