Pusteblumen
Veröffentlicht am Fr, 12.04.2024
von Annette Rüb
Pfarrerin, Evang. Kirchengemeinde Kornwestheim - Pfarramt Thomaskirche
Seine Samenkörner fliegen durch den Wind und breiten sich aus wie die gute Botschaft der Bibel durch den heiligen Geist. Löwenzahn ist für mich wie Ostern und Pfingsten gleichzeitig. Und noch ein bisschen Passionsgedanken und Schöpfungsfreude dazu. Einfach alles.
Ich liebe es, auf die weißen Schirmchen zu pusten. Zuzuschauen, wie sie fliegen. Der Wind bläst sie hin, wo er will. In meinem Garten ist mir das nicht so recht, wenn sie sich niederlassen. Sie sorgen im nächsten Jahr für ein ganzes Meer von Löwenzahnpflanzen. In kurzer Zeit nehmen sie überhand. Verdrängen Gras und Blumen. Da weiß ich jetzt schon, was mir im nächsten Jahr blüht. Aber genau das ist die Stärke des Löwenzahns! Auch ein harter Winter kann ihm nichts anhaben. Er findet überall einen Platz, sogar zwischen Pflastersteinen. Einfach nicht totzukriegen. Seine tiefen Wurzeln sorgen für unglaubliche Widerstandskraft. Wenn es doch in unseren Herzen genauso sein könnte! Wenn wir aufblühen könnten nach einer Zeit der Krise, der Traurigkeit, der Einschüchterung, und der Enttäuschung!
Die Schriftstellerin Ricarda Huch stellt in einem ihrer Gedichte fest:
„Der Frühling kommt wieder
mit Wärme und Helle.
Die Welt wird ein Blütenmeer.
Aber in meinem Herzen ist eine Stelle,
da blüht nichts mehr."
Diese Zeilen bedrücken mich. Bestimmt gibt es viele Menschen, die genau das fühlen. Dann fällt mein Blick auf die sonnengelben Löwenzahnblüten und ich denke: Doch, da geht noch was! Das Osterfest hallt immer noch in mir nach! Da ist Auferstehen und Aufstehen. Entgegen jeglicher Vernunft und Erfahrung. Die traurigen Frauen am Grab Jesu, die enttäuschten Jünger in ihrem Fischeralltag. Da blüht nichts mehr, dachten sie. Aber es kam einer, um ihnen die Augen zu öffnen und ihnen beizustehen. Das ist großartig! Sie blühten auf, obwohl sie es nicht für möglich hielten und streuten ihre Hoffnungssamen unter die Menschen. Der Blick auf den Löwenzahn ruft die Zuversicht in mir wach, dass Gutes wachsen kann, egal wie kalt oder hart die Umstände sein mögen.
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