Damit wir klug werden
Veröffentlicht am Fr, 08.10.2021
von Katrin Sältzer
Pfarrerin, Evang. Kirchengemeinde Kornwestheim - Pfarramt Heilig-Geist-Kirche
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Auch unseren Kindern sieht man die Zeit an. Aus dem Baby ist ein munteres Kleinkind geworden, die Großen sind zum ersten Mal gerne unter sich.
Die Zeit vergeht – man sieht es ganz deutlich an den Kindern, überhaupt an anderen Menschen und bei einem ehrlichen Blick in den Spiegel auch an sich selbst. Dass sie vergeht, ist nun wahrlich kein Geheimnis und doch bin ich überrascht, als ich es so deutlich vor Augen geführt bekomme. Das mit dem Kopf zu wissen, bedeutet nicht automatisch, es verstanden zu haben. Oft geht es im alltäglichen Trubel unter. Wir schauen auf den Moment und das, was ansteht. Da ist kaum Platz, sich Gedanken darüber zu machen, dass auch die eigene Zeit vergeht und begrenzt ist.
Ich glaube, es ist ein Segen, dass wir da nicht ständig darüber nachdenken, sondern im Hier und Jetzt leben können. Aber ich glaube auch, dass solche Momente wertvoll sind, die uns an die eigene Endlichkeit erinnern. Sie sind wie ein Stoppschild, an dem wir entscheiden müssen, ob wir nach rechts oder links abbiegen wollen. Sie bringen uns ins Nachdenken über das, was war und über das, was noch kommen soll.
Dann sind die grauen Haare nicht nur ein Zeichen fürs Älterwerden. Was alles gelungen und geglückt ist in dieser Zeit, während sie langsam grau geworden sind! Der Blick zurück mag manchmal etwas wehmütig machen. Aber oft hilft er auch, dankbar auf das zu schauen, was war, und zu spüren: Ich bin reich beschenkt.
Auf jeden Fall genauso wichtig ist der Blick nach vorne. Vielleicht werde ich nicht für alles Zeit haben, was ich schon immer „irgendwann mal“ tun wollte. Umso mehr frage ich mich: Was möchte ich mit meiner Zeit anstellen? Und was kann ich lassen? Woran will ich mich erinnern, wenn die Haare noch grauer geworden sind? Und wie schaffe ich es, bewusst im Moment zu leben?
Über die eigene Endlichkeit nachzudenken, macht lebendig. Diese Erfahrung steckt auch in dem Vers aus Psalm 90: „Herr, lass uns begreifen, welche Zeit wir zum Leben haben – damit wir klug werden und es vernünftig gestalten.“
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