Bildung statt Hunger
Veröffentlicht am Fr, 05.10.2018
Das erinnert aber auch daran, dass trotz eines viel zu trockenen Sommers jeder und jede genug hat um satt zu werden. Das war nicht immer so.
In den letzten Wochen war viel darüber zu lesen, dass das Cannstatter Volksfest seit zweihundert Jahren gefeiert wird. Vor 200 Jahren war in Württemberg und anderswo eine verheerende Hungerzeit zu Ende gegangen. In den beiden Jahren davor waren Kartoffeln vor der Ernte in der Erde verfault, Getreide war nicht reif geworden. Nach dem Jahr ohne Sommer – es hatte 1816 selbst in den Niederungen im Juli geschneit- mussten die Menschen im Wortsinn kleine Brötchen backen. Der Brotteig war darüber hinaus mit Flechten, Moos und Sägemehl gestreckt worden. Manche sind verhungert, andere hatten aufgrund ihres geschwächten Körpers Infektionskrankheiten nichts entgegenzusetzen und sind an diesen Krankheiten gestorben.
Als dann im Sommer 1818 wieder eine gute Ernte eingefahren wurde, waren die Menschen froh und dankbar. Was lag also näher als die neue gute Ernte mit einem Fest zu feiern, aus dem letztlich das Cannstatter Volksfest entstanden ist.
So eine Hungersnot sollte die Bevölkerung nie mehr plagen. Diesem Ziel ist geschuldet, dass auf dem Wasen nicht nur ein fröhliches Fest gefeiert wurde, sondern auch Züchtungen von Tieren und Nahrungspflanzen präsentiert wurden. Die Landwirtschaft in Württemberg war damals rückständig. Die Nahrungsproduktion war ineffizient. Beim landwirtschaftlichen Fest auf dem Wasen wurden nun Erfindungen und Tipps, Ideen und neue Methoden für Ackerbau und Viehzucht ausgetauscht. Darüber hinaus wurde in Hohenheim eine landwirtschaftliche Schule gegründet. Letztlich ist der Ursprung des Volksfestes der Gedanke: Bildung gegen den Hunger.
Bildung gegen den Hunger. Das gilt sicher auch heute. Wer eine entsprechende Ausbildung genossen hat, findet leichter eine Arbeitsstelle, von deren Lohn er auch leben kann. Aber darüber hinaus ist es auch nötig darüber nachzudenken, dass heutzutage manche trotz einer Arbeitsstelle nicht vom Arbeitslohn leben können und ergänzende Hilfen benötigen. Das Wohnen in den Ballungsräumen ist so teuer geworden, dass auch Normalverdiener mit den Mietzahlungen überfordert sind. Vor 200 Jahren hat die Politik mit einer Bildungsoffensive reagiert. Müsste in der Gegenwart die Politik nicht auch reagieren: Mit der Heraufsetzung des Mindestlohnes und dem Bau von Sozialwohnungen?
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