Angedacht: normal...
Veröffentlicht am Fr, 18.08.2006
Stellen Sie sich vor, Sie machen einen Spaziergang. Vielleicht ist es ein heißer Sonntagnachmittag und Sie ergreifen die Gelegenheit, in einem nahe gelegenen, schattig-kühlen Wald einen Spaziergang zu machen. Während Sie mit sich und der Welt ganz zufrieden sind, Ihren Gedanken nachhängen und das Leben genießen, begegnet Ihnen plötzlich eine absonderliche Gestalt: ein Mann mit Tätowierungen im ganzen Gesicht etwa, oder vielleicht auch eine junge Frau mit zerrissenen Strümpfen und einer bunten Irokesenfrisur. Bevor Sie sich gefasst haben, spricht Ihr gegenüber Sie mit einem charmanten Lächeln an: „Bist du auch normal?“
Auch? Was heißt hier auch? Sind die denn normal?
Und: was ist überhaupt „normal“?
Normal ist, was vorhandenen Normen entspricht. Aber was sind vorhandene Normen? Haben Sie zu Hause in Ihrem Regal ein Normenhandbuch indem Sie jederzeit nachschlagen können, ob Ihr momentanes Verhalten der Norm entspricht und damit „normal“ ist?
Können Sie von sich immer sagen, dass Sie „normal“ sind?
Und selbst wenn Sie diese Frage mit einem eindeutigen „Ja“ beantworten können, ist das dann tatsächlich erstrebenswert? Eine Norm wird dadurch festgelegt, dass sie dem mehrheitlichen Verhalten bzw. Aussehen der Gesellschaft entspricht. Stimmen Sie so mit der Gesellschaft überein, dass Sie das tatsächlich immer wollen?
Anders sein, in welcher Form auch immer, darf nicht über Zugehörigkeit oder den Anschluss in unserer Gesellschaft bestimmen.
Wenn Sie in den nächsten Tagen verstärkt Menschen begegnen, die T-Shirts mit der Aufschrift „Bist du auch normal?“ tragen, dann denken Sie daran.
Susanne Muth, Gemeindereferentin
Die wöchentlichen Andachten evangelischer bzw. ökumenischer Autorinnen und Autoren unter Angedacht (KWZ) werden zeitnah in diesem Archiv erfasst.
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