Das Pressearchiv unserer Gemeinde
20 Liter Wasser am Tag müssen reichen
Veröffentlicht am 24.01.2004
in Kornwestheimer Zeitung
Kornwestheim. Mit 20 Litern Wasser einen ganzen Tag auskommen das mussten Ingrid und Hans Rippmann erst einmal lernen. Von 1992 bis 1997
unterrichteten der evangelische Pfarrer und seine Frau an der theologischen Fakultät der Stadt Mbeya in Tansania. Am Donnerstagabend hielten sie im Johannesgemeindehaus einen Vortrag über ihre Zeit in Afrika.
VON MARK SCHENKEL
'Du gehst als Missionar nach Afrika?' wurde Hans Rippmann immer wieder
gefragt. Doch Missionsarbeit ist im südlichen Hochland von Tansania, dem 'Schottland Afrikas', nicht mehr nötig: Dort sind mehr als 85 Prozent der Menschen Christen. 'Da wüsste ich in der Bundesrepublik einige Gebiete, wo das nötiger wäre', lacht Rippmann. Von 1992 bis 1997 arbeitete und unterrichtete er im Auftrag der Herrnhuter Brüdergemeine an der theologischen Fakultät in der Stadt Mbeya als stellvertretender Schulleiter.
Nicht als Missionar sei er nach Tansania gegangen, sondern zu einer Art akademischem Austausch: 'Wir profitieren unheimlich vom Austausch mit den Kirchen in Afrika.'
Die Umstellung auf tansanische Lebensverhältnisse bedeutete eine große
Veränderung für das Ehepaar. Ein Problem war der allgemeine Wassermangel. 'Wenn man am Tag nur 20 Liter pro Haushalt zur Verfügung hat, dann überlegt man genau, in welcher Reihenfolge und wie oft man sein Wasser benutzt', berichtet Rippmann. 'Dann kommt Besuch, der unwissend die Toilettenspülung zieht und schon ist ein Viertel des Tagesvorrats verbraucht.'
Am schlimmsten sei für das Land allerdings die augenblickliche
Aids-Epidemie. In Tansania sind mehr als 2,6 Millionen Menschen mit dem HIV-Virus infiziert. 'Die Menschen zwischen 20 und 40 Jahren sterben weg, gerade die Generation, die das Land aufbauen sollte', erzählt Rippmann.
Trotzdem überwiegen für die Rippmanns die postiven Eindrücke des Landes: 'Das Kapital Tansanias sind seine Menschen und die wunderschöne Landschaft.'
Hans Rippmann schwärmt von den Fahrten rund um den 600 Kilometer langen Nyasa-See. Besonders angetan hat es ihm die Meeresküste: Hunderte Kilometer schönster Strände, die touris-tisch weitgehend unerschlossen sind.
Die Stadt Mbeya liegt auf 1700 Metern Höhe, nachts sinkt die Temperatur auf 0 Grad. 'Besuchern aus Europa mussten wir klarmachen, dass sie ihre Pullis einpacken müssen: Bei uns in Afrika ist es kalt.' An der Hochschule bezogen Hans Rippmann und seine Ehefrau ein kleines Haus mit Blechdach. Strom und Wasser gab es nur stundenweise. 'Wenn man nachts bemerkt, dass Wasser aus
dem Hahn kommt, dann weckt man die anderen auf und duscht erst mal schnell', erinnert sich Ingrid Rippmann heute kann sie darüber lachen. Auch in der Ausbildung der Pfarrer laufen die Dinge anders als in Deutschland. Die Gemeinden schicken ihre Pfarrer auf die Hochschule und bezahlen die Gebühren. Dass Pfarrer verheiratet sind, ist eine Selbstverständlichkeit. Sie werden sogar zusammen mit ihren Ehefrauen ordiniert. Zur Vorbereitung kommen die Frauen und Kinder für zwei Jahre an die Hochschule. Ingrid Rippmann unterrichtete solche 'Frauenklassen'. Sie erinnert sich: 'Es wird erwartet, dass die Ehefrau eines Pfarrers religiös gebildet ist.'
Aber auch in Tansania hält die Gleichberechtigung Einzug in der Kirche. Manche Gemeinden schicken Frauen zur Pfarrerausbildung an die Hochschule. 'Blitzgescheite Frauen, da ärgern sich die Mitstudenten immer ein bisschen, was die alles wissen', amüsiert sich Hans Rippmann. Eigentlich seien die tansanischen Frauen sehr selbstbewusst, nur im täglichen Leben sei man noch weit von jeder Gleichberechtigung entfernt. 'Die Frauen sind Männern
gegenüber völlig unterwürfig', sagt Ingrid Rippmann, 'sie haben etwa keine Möglichkeit, sich ihnen zu verweigern: einer der Hauptgründe für die weite Verbreitung des HIV-Virus.'
Was ist das Wichtigste, was das Ehepaar in den fünf Jahren gelernt hat? Da lacht Hans Rippmann wieder: 'Wir hatten so viele nutzlose Sachen mitgebracht: tonnenweise theologische Lehrbücher und den Sicomatic. Gelernt haben wir, mit wenig auszukommen und trotzdem zufrieden zu sein.'
Die Online-Publikation dieses Artikels erfolgt
mit freundlicher
Genehmigung der
Kornwestheimer Zeitung
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