Andacht- und Predigt Archiv
Zum Sonntag: Erschöpfte Liebe atmet auf!
Veröffentlicht am Fr, 30.04.2021
von Christina Hörnig
Referentin beim Dekan, Evang. Dekanatamt Ludwigsburg
Jetzt wird es Frühling. Und wir können wieder loslegen. Was haben wir in den letzten Monaten nicht alles getan: Abstand gehalten, begegneten uns mit Mundschutz, mussten Querdenker auf öffentlichen Plätzen ertragen und die Poltergeister von Rechtsaußen im Land- und Bundestag. Neue Wörter haben wir gelernt: Herdenimmunität, Durchseuchung, Verimpfung, Abschaffung von Grundrechten, geheime Weltregierung, falsche Prioritätensetzung. Gelegentlich ist Toleranz und Nächstenliebe ein schwieriges Geschäft angesichts der vielen Verstorbenen und schwer Erkrankten.
Im Frühling streckt sich alles zum Leben. Die Natur trägt wieder Farben, die Gesichter der Menschen auch. Bald werden wir wohl vor Sonnenbrand gewarnt und die ersten Schnäppchenreisen buchen. Zurück zur Normalität, das war der Wunsch seit Weihnachten und das Versprechen der Verantwortlichen. Doch was ist Normalität? Macht statt Ohnmacht, Tempo statt Geduld, Maßlosigkeit statt Herzensgüte, Fete statt Rücksicht; Aktienkurse statt RKI-Zahlen? Rendite und Gewinn statt Verzicht und Geduld. Stau auf der Autobahn, volle Stadien, volle Hallen, übervolle Auftragsbücher, Wachstum als Hausgott?
Trauer braucht Zeit. Genesung braucht Zeit. Die Natur braucht Zeit, um sich von der Kälte zu erholen, die Gesellschaft braucht Zeit, um die Pandemie hinter sich zu lassen. Wie viele Menschen haben über den Winter hart gearbeitet, getüftelt und geforscht, getröstet, bis zur Erschöpfung gearbeitet, bis zur Selbstaufgabe geliebt. Wenn Liebe erschöpft ist, braucht sie Zeit sich zu erholen. Die entzauberte Welt, die nur noch eines kennt: höher, schneller, weiter, stürzt von einer Erschöpfung in die nächste. Wir Christen können nicht alles lösen und klären, anhalten und zurückhalten. Doch Achtsamkeit können wir verschenken, den Erschöpften ein Aufatmen, den Überarbeiteten einen Mehrwert, den Verbrauchten eine Zuwendung, den Müden ein Fest, der Liebe eine Chance. Der Monat Mai ist der Monat der Farben, der Blüten, des Aufatmens – und der Liebe. Der „Wonnemonat“ Mai.
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