Andacht- und Predigt Archiv
Zum Sonntag: Durstrecken überstehen
Veröffentlicht am Sa, 06.08.2022
von Sabine Leibbrandt
Pfarrerin, Klinikseelsorge Ludwigsburg
Durstrecken überstehen
Die Pflanzen in meinem Garten sehen zunehmend trostlos aus, die große Hitze tut ihnen nicht gut. Sind am Verdursten. Doch die Wasservorräte in den Regentonnen gehen zur Neige. Schon längst gieße ich nicht mehr alle. Ich wähle aus. Die alten Rosenstöcke mit ihren tiefen Wurzeln kommen überraschenderweise noch gut zurecht. Auch die wild aufgegangenen Sonnenblumen halten sich wacker. Abends scheinen sie ganz welk, aber sie schaffen es noch, sich über Nacht zu erholen.
Unter der großen Trockenheit leidet nicht nur mein Garten, egal wo ich hinschaue, breitet sich die Dürre aus. Mir ist in diesen Tagen ein Vers aus dem Psalm 42 ganz neu bewusst geworden:
„Wie der Hirsch lechzt nach frischem Wasser, so schreit meine Seele, Gott, zu dir.“
„Lechzen“ gehört nicht zu meinem Alltagswortschatz, aber es beschreibt dieses Gefühl des Ausgedorrtseins fast körperlich. Immer wieder begegnet mir als Seelsorgerin so eine ausgedörrte, durstige Seele.
Menschen, die schon über lange Zeit immer weniger Zuwendung, Wertschätzung oder soziale Unterstützung erfahren haben, oder durch schwere Krankheit ausgezehrt sind. Anfangs konnten sie sich immer noch aufrappeln, so wie die Sonnenblumen, aber je länger die Dürre ihres Lebens anhält, desto mehr brennen sie aus.
Wer solche Durststrecken erlebt, in dem wächst das Gefühl von Sehnsucht. Die Sehnsucht nach Gesundheit, nach gemeinsamer Zeit mit geliebten Menschen, nach finanzieller Sorglosigkeit, nach Freizeit und Erholung in all dem Stress, nach besseren Arbeitsbedingungen. Doch Erholung stellt sich nicht über Nacht ein, die Wasserspeicher müssen nach und nach gefüllt werden.
Auch der Beter des Psalms spürt diese tiefe Sehnsucht nach Veränderung und er verbindet sie mit Gott. Er ist am Ende seiner Kräfte, sein Tank ist leer. Doch er erinnert sich daran, dass Gott die Quelle des Lebens ist. Diese Quelle versiegt nicht, sie kann unendlich oft angezapft werden. So schöpft er den Mut zum Weitergehen, zum Durchhalten, damit die Seele sich langsam erholen kann.
Zur ÜbersichtDie wöchentlichen Andachten
evangelischer bzw. ökume-
nischer Autorinnen und Autoren (Angedacht KWZ
und Zum Sonntag, LKZ)
werden zeitnah in diesem
Archiv erfasst.