Andacht- und Predigt Archiv
Was ich vom Wetterhahn lernen möchte
Veröffentlicht am Sa, 15.04.2006
Er glänzt in der Sonne und ist schon von weitem zu sehen: der Hahn, der sich hoch oben auf der Kirchturmspitze im Wind dreht. Aber wie hat er dort eigentlich seinen Platz gefunden? Oder anders gefragt: was hat der Hahn auf dem Kirchturm verloren?Als Wetterhahn zeigt er an, woher der Wind weht; aber das könnte ein Fähnchen aus Metall genauso gut. Bei Renovierungen, wenn der Hahn nach vielen Jahrzehnten seinen Platz hoch oben für eine Weile räumt, dann zeigen sich oft Einschusslöcher; doch das kann ja schon gar nicht seine eigentliche Aufgabe sein, dass er als Ziel-scheibe herhalten muss. Der Hahn auf dem Kirchturm erinnert uns an eine Episode aus der Leidensgeschichte Jesu. Er erinnert uns an einen seiner Jünger, Simon Petrus, der ganz fest zu ihm stehen wollte, der felsenfest jedem Sturm standhalten wollte – und der dann doch, als ihm der Wind ins Gesicht blies, sein Fähnchen in den Wind hing.„Alle werdet ihr mich verlassen“, hatte Jesus angekündigt. „Und ehe der Hahn kräht wirst du, Petrus, dreimal behaupten, dass du mich nicht kennst.“Petrus hatte Angst, Angst um sein Leben, als er nach seiner Verbindung zu Jesus gefragt wurde, den man gerade verhaftet hatte. Und so wies er es weit von sich, etwas mit ihm zu tun zu haben. Der Hahnenschrei am frühen Morgen öffnete ihm die Augen: er war dem, dem er Treue versprochen hatte, untreu geworden.Zu Überzeugungen zu stehen, auch wenn einem der Wind ins Gesicht bläst, ist nicht immer leicht; zu Menschen zu stehen, die in Not sind und die unsere Solidarität brau-chen, fällt uns vor allem dann schwer, wenn es uns selbst etwas kostet.An solche menschliche Schwäche erinnert der Hahn. Aber es ist auch der erste Hahnenschrei, der den neuen Tag begrüßt. Und so steht der Hahn auf dem Kirch-turm für einen neuen Anfang nach der Dunkelheit der Nacht. Ganz besonders gilt das für den morgigen Ostersonntag, an dem wir den Sieg des Lebens über den Tod feiern.
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