Andacht- und Predigt Archiv
Neue Aufklärung
Veröffentlicht am Fr, 25.09.2020
von Horst Rüb
Pfarrer, Evang. Kirchengemeinde Kornwestheim - Pfarramt Martinskirche
-
Sondern jede und jeder sollte mit Hilfe des eigenen Verstandes Einsichten gewinnen und zu einem eigenen Urteil kommen. Die Erkenntnisse der Natur- und Geisteswissenschaften halfen den Menschen, sich aus dunklen Mythen und Aberglaube zu befreien. Wie noch nie zuvor in der Menschheitsgeschichte war ein realistischer und angstfreier Blick auf die Wirk-lichkeit möglich. Kein Wunder, dass sich dies auch im Politischen auswirkte. Die Französische Revolution brachte nicht nur die jahrhundertealten Ordnungen in Frankreich ins Wanken.
Wer aber glaubt, die Menschheit würde seither vernünftig und mit klarem Verstand ihre Ge-schicke lenken, der sieht sich eines Schlechteren belehrt. Die Coronapandemie deckt dies auf erschütternde Weise auf. Da sind weltweit schon über 25 Millionen Menschen an Covid19 erkrankt und fast eine Million daran gestorben. Trotzdem treten massenhaft Menschen auf, die „Querdenken“ wollen und behaupten, das sei alles übertrieben und würde so nicht stim-men. Die verordneten Hygienemaßnahmen, mit denen man sich und andere vor einer Anste-ckung schützen kann, sei eine politische Maßnahme, um uns unserer Grundrechte und unse-rer Freiheit zu berauben. Dies alles sei Teil einer mysteriösen Weltverschwörung, gegen die man sich letztlich sogar mit Gewalt wehren müsse.
Vernünftige Argumente, Zahlen, Fakten, werden einfach ignoriert oder bestritten. Aber wen wundert das, wenn selbst Staatsmänner in höchsten Ämtern, Lügen und Falschaussagen als „alternative Fakten“ etikettieren und so eine sinnvolle Auseinandersetzung unmöglich ma-chen.
Mir scheint eine neue Aufklärung dringend geboten. Dass wir uns unseres von Gott gegebe-nen Verstandes bedienen, die Dinge vernünftig prüfen, uns informieren und es uns eingeste-hen, dass unsere Welt nicht einfach ist, sondern sehr kompliziert. Der Aufruf „Wagt euch, eures Verstandes zu bedienen“ scheint heute so dringend geboten wie vor 200 Jahren.
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