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Veröffentlicht am Fr, 02.10.2020
von Martin Mohns
Pfarrer, Evang. Kirchengemeinde Kornwestheim - Pfarramt Thomaskirche
Dabei stelle ich mir die Fragen: wie bedeutend war die Band für meine Entwicklung? Habe ich die CD oft gehört? Oder habe ich sie „nur“ mal auf einem Flohmarkt entdeckt und gedacht „da war doch schon immer dieser eine coole Song drauf“? Es gibt aber immer noch viele CDs, die mich begleiten seit ich Teenager bin. Die ich zwar heute wohl nicht mehr zu jeder Gelegenheit in den CD-Player legen würde, aber die mich doch irgendwie geprägt haben.
CDs. Das war mal so ein Ding. Und so wie andere (wieder) Platten sammeln und es genießen, dass man aktiv ein Medium in die Hand nimmt und das Album von vorn bis hinten durchhört, so geht es mir mit CDs.
Eigentlich. Denn wenn ich ehrlich bin: ich habe mich zwar lange gesträubt, aber auch bei mir sind mittlerweile die Streamingdienste zuhause angekommen. Und sie verändern mein Musikhörverhalten – mehr, als ich es mir manchmal eingestehen will. Ja, es passiert immer noch, dass ich dadurch etwas entdecke und mir dann das Album kaufe. Aber es passiert eben doch immer öfter auch, dass ich mich auf einen Algorithmus verlasse, der mir überwiegend sehr hörenswerte Musik in meinen Alltag bringt. Dann braucht es nur noch einen Klick und der Song ist bei den Lieblingssongs.
Das ist superbequem. Sehr benutzerfreundlich. Es fühlt sich sogar individuell an, weil sich der Algorithmus richtig gut mit meinen musikalischen Vorlieben beschäftigt hat.
Und doch sitze ich in letzter Zeit immer wieder da, höre einen meiner neuen „Lieblingssongs“ und denke: ich hab keine Ahnung, wie die Künstlerin heißt, die das singt. Ich merke es mir nicht mehr so gut. Denn es ist ja abgespeichert.
Ich merke auch, wie ich in manchen Situationen lieber dem Algorithmus vertraue als mich vor das CD-Regal zu stellen und ein bewusst passendes Album herauszuziehen.
Mein Leben als leidenschaftlicher Musikhörer ist nicht schlechter geworden dadurch. Dennoch merke ich: da hat sich etwas verschoben. Da hat sich eine neue Bequemlichkeit eingeschlichen, von der ich lange dachte, dass ich ihr nicht verfallen würde.
Ich schaue also meine CD-Sammlung an. Sehe viele CDs, auf die ich lange gespart habe oder die ich mir erst deutlich später nachgekauft habe und denke: da steckt eine Geschichte und eine Wertschätzung hinter dem Produkt, die mir beim Streaming abhanden kommt.
Und dann komme ich ins Grübeln. Gibt es vielleicht noch mehr Bereiche, in denen in den letzten Jahren die Bequemlichkeit überhand genommen hat? Gibt es Personen, Gruppen oder auch Dinge, denen ich wieder mit mehr Wertschätzung begegnen will?
Ich gehe zum CD-Regal und suche mir die beste CD zum Tagträumen aus. Ich lege sie in den CD-Player und erstelle eine innere Liste, wer es in den nächsten Tagen mit meiner Wertschätzung zu tun bekommen wird.
Musiktipp: Martin Kohlstedt - Nacht
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