Kein Mangel an Berufungen
Veröffentlicht am Fr, 14.05.2021
von Guido Hirschbühl, Pastoralreferent i. R.
Weil die derzeitige Chefetage meiner Kirche immer noch krampfhaft versucht, mit nur einem Flügel zu fliegen: nur Männer, so wird behauptet – zudem noch unverheiratete - könnten zu den Leitungsämtern in der Kirche zugelassen werden. Ja die Kirche habe gar nicht das Recht dazu, Frauen zu weihen. Als Beweis dazu dient die Behauptung, dass ja Jesus selbst keine Frauen geweiht habe. Das stimmt tatsächlich. Aber – das wird verschwiegen – er hat auch keine Männer geweiht. Er wollte gar kein Priestertum errichten und schon gar keine Klassen oder Stände. Erst im dritten Jahrhundert bildete sich eine “Hierarchie” heraus, eine sogenannte “heilige Rangordnung”. In deren Folge entstand eine Scheidung in zwei Stände, in Klerus und Laien, wobei der Klerus die Leitungsämter für sich beanspruchte. Und viel später, nämlich erst im 5.(!) Jahrhundert, setzte sich die Forderung durch, dass nur ein geweihter Priester die Eucharistiefeier leiten durfte. Davor hatte man 400 Jahre lang der Zusage Jesu vertraut: “Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen” (Mt 18,20). Das ist die Grundlage, und sie steht über allen geschichtlich bedingten und somit veränderbaren Strukturen und Ämtern.
Der sogenannte Priestermangel von heute ist hausgemacht. Solange die Kirchenleitung Gott vorschreiben will, wen er in seinen Dienst berufen darf, und somit mehr als die Hälfte der Menschen davon ausschließt, muss sie sich nicht wundern, dass es an Bodenpersonal mangelt. Welche Verarmung diese Ausschließeritis für die innerkirchliche Spiritualität und Atmosphäre hat, ist unübersehbar. Das ist keineswegs eine Kritik am Engagement der Priester in unserer Kirche. Es ist wahr: ich bin in meinem Leben sehr vielen tiefgläubigen und überzeugenden Priestern begegnet. Sie sind für die ihnen Anvertrauten sehr hilfreich. Es ist aber auch wahr: Ich bin genauso vielen Frauen begegnet, Seelsorgerinnen im besten Sinne, deren Glaubenszeugnis wieder ganz andere Dimensionen der Gegenwart Gottes eröffnet. Ich bin mir sicher: es gibt keinen Mangel an Berufungen zum Priestertum. Solange aber ein großer Teil dieser Berufungen ausgegrenzt wird, Sie wissen schon: mit einem Flügel ….
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