Hoffnung blüht auf
Veröffentlicht am Fr, 12.03.2021
Gerade strahlt er noch nicht voll. Nur der Anfang ist schon da, und trotzdem: ob ich es will oder nicht, kommt mir ein Lächeln ins Gesicht. Die ersten Zeichen des Frühlings machen etwas mit mir, merke ich. Sie lassen Hoffnung mitten in meiner Müdigkeit und Mutlosigkeit aufblühen. Beunruhigende Nachrichten, schlechte Zahlen und noch schlechtere Prognosen zermürben. Aber der Frühling lässt sich davon nicht beeindrucken. Die ersten Farben im Garten erinnern mich an den Mandelzweig im Gedicht von Schalom Ben-Chorin. Vielleicht musste der jüdische Schriftsteller auch plötzlich lächeln, als er 1942 mitten im zweiten Weltkrieg in seinem Exil in Jerusalem die ersten Mandelblüten als Vorboten des Frühlings gesehen hat. Zu einem wunderbaren Gedicht – „das Zeichen“ – haben sie ihn inspiriert:
„Freunde, dass der Mandelzweig
wieder blüht und treibt,
ist das nicht ein Fingerzeig,
dass die Liebe bleibt?
Dass das Leben nicht verging,
so viel Blut auch schreit,
achtet dieses nicht gering
in der trübsten Zeit.
Tausende zerstampft der Krieg,
eine Welt vergeht.
Doch des Lebens Blütensieg
leicht im Winde weht.
Freunde, dass der Mandelzweig
sich in Blüten wiegt,
bleibe uns ein Fingerzeig,
wie das Leben siegt.“
Mich berühren diese Verse jedes Mal, wenn sie in der Melodie von Fritz Baltruweit höre. Jemand, der selbst so viel Leid erleben musste, der 1935 wegen nicht auszuhaltender Diskriminierung aus Deutschland geflohen ist, der aus der Ferne mitverfolgen musste, was seinem Volk angetan wurde, schreibt in so einer Situation über die Liebe. Er schreibt davon, dass das Böse, das Leid, das Schwere nicht das letzte Wort haben, sondern das Leben. Das Leben siegt!
Ich lasse mich von diesem Lied gerne einladen, für die kleinen Zeichen aufmerksam zu sein und das Herz zu öffnen für die Hoffnung, die aufblüht – mitten in schweren Tagen.
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