Ich liebe die Stille
Veröffentlicht am Fr, 28.01.2022
von Stefanie Henger
Pfarrerin, Evang. Kirchengemeinde Kornwestheim - Pfarramt Heilig-Geist-Kirche
Und dass wir unsere Stimme denen leihen, die in unserer Gesellschaft und in unserer einen Welt nicht zu Wort kommen, das bleibt eine urchristliche Aufgabe. Punkt!
Manchmal aber bleiben wir im Reden bei uns selbst stecken. Lauschen nur noch den eigenen Worten hinterher, versuchen nur noch das Eigene stark und wasserdicht zu machen. Und so geraten wir in einen Monolog statt in einen Dialog. Die anderen Worte, die anderen Menschen interessieren dann nicht mehr – wir lauschen ihnen nicht mehr.
In unserer Welt, die so voller Worte und Widerworte ist, bringt mir die Stille, das bewusste Schweigen, das Meditieren, Beten einen anderen Ton in den Tag.
Manchmal wird mir erst in der Stille bewusst, wie laut es in mir ist.
Dann höre ich auch ungeliebte Stimmen in mir, die sonst verdeckt und übertönt sind. Aber ich weiß, erst wenn ich diesen inneren Lärm höre, kann ich auch ihn zum Schweigen bringen und anfangen wirklich zu hören.
Schweigen ist mehr als Ruhe.
Manchmal wirft mich das Schweigen vor Gott auf mich selbst zurück.
Manchmal verliere ich mich in den to dos des Tages.
Manchmal fühle ich mich mit Gott verbunden.
Manchmal weiß ich, dass Gott da ist und lasse los.
Und manchmal zweifle ich.
Manchmal verstehe ich ganz tief, dass Gott größer ist als alles, was ich denken kann.
Manchmal entsteht in mir ein DU und ich lasse mich für einen Moment lieben, so wie ich bin, mit allem, ohne Zögern….
Ja ich liebe die Stille und das Schweigen - sie fallen mir aber nicht immer leicht.
Deshalb muss ich sie einüben. Schweigen lernt man durch Schweigen. Beten durch Beten. Jeden Tag neu. Stille und Schweigen führen mich in das Hier und Jetzt, in die Gegenwart. Und das ist gut so. Gegenwart ist die Zeit, in der ich atme und lebe. Sie ist die Zeit, die ich hier und jetzt gestalten kann. Ich will ja nicht nach dem Motto leben: „Seit Jahren warte ich auf die Zukunft, aber alles, was ich bekomme, ist Gegenwart“.
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