Gebeten-sein
Veröffentlicht am Fr, 29.07.2022
von Ulrich Theophil
Pfarrer, Evang. Kirchengemeinde Kornwestheim - Pfarramt Johanneskirche
Pfarrer, Evang. Kirchenbezirk LB - Bezirksämter
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Ich höre diese Bitte im Trauergespräch, wenn das Loslassen eines vertrauten Menschen für die Seele zu viel ist.
Die Bitte um Hilfe ist eine sehr angenehme Herausforderung. In gewisser Weise schmeichelt es einem. Ich werde um etwas gebeten, damit es anschließend besser weitergeht. Der Andere traut mir zu, dass ich eine Hilfe bin. Er vertraut mir. Er öffnet sich mir mit einer momentanen Schwäche. Was für eine berührende Erfahrung. Gebeten-sein im Leben gehört zu den Kostbarkeiten des Lebens. Unsere menschlichen Beziehungen erfahren dabei eine ungeahnte Nähe. Das Gebeten-werden löst manches aus: Im Gebeten-sein kann sich das Leben vertiefen, die Beziehungen verdichten sich, da entsteht eine größere Verbundenheit, ein im besten Sinne aufeinander Angewiesensein. Was für ein Wohlgefühl kann entstehen, wenn wir dem Gebeten-sein mit Freude und Elan nachgehen, wenn wir uns dem mit ganzem Herzen widmen? Dieses Wohlgefühl wird sich nicht einfinden, wenn wir mit Herablassung oder gar Arroganz reagieren, oder wenn wir uns belustigen über die Schwäche des Anderen. Im Gebeten-sein werden wichtige Weichen in unseren Beziehungen gestellt. Es ist ein Geschenk, wenn wir um etwas gebeten werden. Im Wort „gebeten-Sein“ steckt das Wort Gebet drin. Es schwingt somit auch die göttliche Dimension mit. Im Gebet können wir sein, wie wir sind. Wir können Gott von dem erzählen, was uns beschwert und was wir nicht hinkriegen. Auch Gott will gebeten sein. Er will ein Angesprochener sein. Ist er ein von uns Menschen Gebetener, verheißt er uns: „Bittet, so wird euch gegeben.“ Gott wird auf seine Weise Beistand und Unterstützung uns zukommen lassen.
Beten heißt in den Spielraum Gottes eintreten. Gott lässt es werden, oft überraschend, oft anders, als wir hoffen und mitunter auch leicht und spielerisch.
Ulrich Theophil
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