Hilft beten?
Veröffentlicht am Fr, 04.02.2022
Während alle Nachbarn fliehen und ihre Häuser verlassen, bleibt sie im Ort und vertraut darauf, dass Gott ihr helfen wird. Varenkas Haus wird nicht zerstört. Die Soldaten übersehen es, weil ein heftiger Schneesturm es ganz mit Schnee bedeckt hatte. Hat das Beten Varenka geholfen? Ja, klar, sagen die einen! Dass es im Winter schneit, kann einfach Zufall sein, sagen die anderen! Unser gemeinsames Fazit war: So oder so hilft das Beten Varenka, denn sie bekommt dadurch Mut in ihrem Haus zu bleiben und dort Schutz für andere Geflüchteten zu bieten. Diese war für mich eine gelungene und erfüllende Stunde, weil die Schüler*innen intensiv diskutiert und sich mit der Frage auseinandergesetzt haben. Trotzdem wurde es mir klar: dass Beten hilft, kann man erst verstehen, wenn man es erfährt. Wenn die Kinder ihre eigene Sorgen auf Gott werfen und merken, wie sie Mut dadurch bekommen. Man könnte meinen, dass müssen sie irgendwann später für sich entdecken und nicht in der Schule…
Meine 4. Klasse zeigte mir letzte Woche allerdings das Gegenteil. Einen Tag nach dem Amoklauf in Heidelberg im Religionsunterricht: Die Schüler*innen melden sich während der Einzelarbeit immer wieder. Sie haben keine Fragen zur Aufgabe, sondern Fragen zum Amoklauf. Sie wollen Details wissen, wollen die Motive verstehen. Sind schockiert. Aufgewühlt. Ich merke, ich muss dem Thema in meinem Unterricht Raum geben. Ich biete ihnen an, wenn sie ruhig und konzentriert die Aufgabe bearbeiten, beende ich die Stunde früher und wir sprechen über den Amoklauf. Noch nie haben meine 4. Klässler so ruhig und konzentriert gearbeitet wie an diesem Tag! Ich beantworte ihre Fragen, so gut ich kann, merke aber, dass sie noch sehr unruhig und aufgewühlt sind. Ich will sie nicht so in den Tag entlassen und frage sie, ob ich zum Abschluss der Stunde ein Gebet für die Betroffenen sprechen soll. Von allen Seiten höre ich Zustimmung: Ja, das wollen wir! Wir stehen im Kreis. Die Kinder sind ruhig und konzentriert. Während ich bete, flüstern sie mir – von sich aus – Anliegen und Formulierungen zu, die ich in das Gebet aufnehmen soll. Alle Sorgen und Ängsten warfen sie nach und nach auf Gott und die große Bitte darum, dass so etwas nie wieder geschehen möge. Dass dieser große Wunsch erfüllt wird, ist unwahrscheinlich. Aber die Frage, ob Beten hilft, war klar und deutlich beantwortet: Das Aufgewühltsein ist wie weggeblasen. Sie sind ruhig und wieder zuversichtlich und ich kann sie mit einem guten Gefühl verabschieden. Schüler*innen und Lehrerin hatten gerade erfahren: Alle eure Sorgen werft auf ihn, denn er sorgt für euch!
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