Außer Schnee
Veröffentlicht am Fr, 18.02.2022
von Katrin Sältzer
Pfarrerin, Evang. Kirchengemeinde Kornwestheim - Pfarramt Heilig-Geist-Kirche
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Er ist in unseren Breitengraden etwas Besonderes und wer ihn festhalten will, dem rinnt er buchstäblich durch die Finger.
Schnee ist unverfügbar, so beschreibt es der Soziologe Hartmut Rosa. Deshalb berührt es uns, wenn die Welt beim ersten Blick am Morgen aus dem Fenster weiß ist. Seine These ist: Wir leiden darunter, dass in unserer Welt beinahe alles verfügbar geworden ist. An Orte zu reisen, die „man gesehen – und fotografiert - haben muss“ und Musik, die man immer und überall hören kann, machen dann das Leben nicht schöner und intensiver, sondern anstrengend. Lebendig fühle ich mich, wenn mir etwas zufällt, was ich nicht selbst in der Hand habe und nicht komplett planen kann. Wenn mich eine Melodie im Herzen berührt. Wenn mir auffällt, wie schön heute der Sonnenuntergang ist. „Lebendigkeit entsteht aus der Akzeptanz des Unverfügbaren“, so Rosa in seinem kurzen Buch mit genau diesem Titel „Unverfügbarkeit“.
Vieles von dem, was Hartmut Rosa schreibt, kommt mir bekannt vor. Es beschreibt ganz gut, was ich als Christin mit anderen Worten ausdrücken würde. Da ist zum Beispiel die Erfahrung, dass ich nicht alles alleine schaffen kann, sondern auch darauf angewiesen bin, dass mir etwas zufällt. Das liegt daran, dass ich ein Geschöpf Gottes bin und von ihm abhängig. Ein Wunder ist es für mich jedes Mal, wenn ich erlebe, dass das, was mir fehlt, auf wundersame Weise doch da ist. Wenn mich eine Melodie im richtigen Augenblick trifft und tröstet. Wenn ein anderer etwas einbringt, worüber ich nicht verfüge, und wir gemeinsam etwas Neues gestalten.
Manches kann man nicht machen. Der Kern des Glaubens ist für mich: Ich muss auch gar nicht alles machen. Ich lasse mich darauf ein, dass mir Wesentliches unverfügbar ist. Ich vertraue darauf, dass mir zufällt, was ich brauche. So weiß ich mich in dieser Welt gut aufgehoben.
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