Angedacht: Schmähvideo ignorieren
Veröffentlicht am Fr, 28.09.2012
Da bin ich schon froh, dass die Proteste in Deutschland gegen einen in den USA gedrehten Mohammed-Schmähfilm bisher friedlich verlaufen sind. Besser als demonstrieren wäre es aber, solche Machwerke einfach zu ignorieren. Niemand würde von diesem Mohammed-Film, der den Profeten zum Beispiel als Frauenheld beleidigt, überhaupt reden, hätten nicht weltweit Muslime gewaltlos oder gewalttätig dagegen demonstriert. Welche Macht allerdings den Urhebern, geistigen Wirrköpfen, zugewachsen ist, weil weltweit Menschen sich in ihren religiösen Gefühlen beleidigt gefühlt haben, ist kaum zu ermessen. Eine Gegenmaßnahme kann aber nicht sein, dass solche Machwerke zensiert oder verboten werden, ganz abgesehen davon, dass dies durch die Verbreitung im Internet kaum jemals mehr möglich sein wird. Wer kann sich das Recht herausnehmen und beurteilen, ob eine Karikatur einen guten Inhalt hat oder auf billige Weise verletzen will. Wer will sich das Recht herausnehmen, was verboten und was erlaubt sein soll. In einer offenen Gesellschaft wird jeder seine eigene Meinung dazu haben. Mit gleichem Recht hätte die Papstkarikatur der Satirezeitschrift, Titanic, verboten werden können. Auch das war wenig originell. Durch die billige Pointe ist nämlich keineswegs ein Problem auf witzige Weise auf den Punkt gebracht worden, wenn auch die Titanic-Redaktion mit der gefundenen, undichten Stelle auf das wahrhaft biblische Alter des Papstes hinweisen wollte. Außerdem ist es für alte Menschen beleidigend in dieser Weise instrumentalisiert zu werden. Nachdem von der katholischen Kirche zunächst versucht wurde, durch eine Klage ein Verbot durchzusetzen, hat man nach einiger Zeit das Richtige getan und diese Klage zurückgenommen. Ignorieren ist bei dummem Zeug eben besser als dagegen vorgehen – meistens jedenfalls.
Aber kann man sich als religiöser Mensch solche Beleidigungen gefallen lassen? Muss man nicht demonstrieren, dagegen vorgehen, wenigstens dagegen argumentieren? Muss man das nicht tun, schon um der eigenen Selbstachtung willen? Gilt nicht auch in vielen Fällen umgekehrt, dass der Beleidigende selber unter Druck steht, wie koptische Christen in Ägypten, wie Christen in vielen islamisch geprägten Ländern insgesamt? Natürlich hat der Filmemacher, wohl ein koptischer Christ, seinen ägyptischen Mitchristen, die nicht, wie er, in den USA leben, einen Bärendienst erwiesen. Aber gewaltbereite Gegendemonstranten erweisen dem Islam ihrerseits einen Bärendienst und schaden in der weltweiten öffentlichen Wahrnehmung dem Ansehen ihrer Religion.
Vielleicht würde es beiden Seiten gut anstehen, sie hätten die Forderung von Jesus, „Du sollst deine Feinde lieben“, bedacht, meditiert am besten befolgt. Lieben meint hier achten, wertschätzen, vielleicht auch bloß akzeptieren. Das schließt ein, dass man sich mit dem Gegenüber auseinandersetzt, dass das Fremde erst gar nicht zum Feind wird. Wer sich akzeptiert fühlt, der ist nicht leicht zu beleidigen. Ein besseres Miteinander zwischen Religionen, Völkern und Kulturen würde manchem Aufhetzer den Boden entziehen.
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