Angedacht: Frischer Wind
Veröffentlicht am Fr, 12.10.2012
von Guido Hirschbühl, Pastoralreferent i. R.
Was er denn damit bezwecken wolle, so fragten sie ihn. Wozu das alles? Er hörte ihnen schweigend zu. Nach ein paar Minuten stand er auf, schritt seelenruhig zum Fenster, öffnete es ganz weit und sagte: „Ecco, deswegen“.Frischer Wind sollte in die stickigen und verstaubten Räume eindringen und sie mit neuem Leben erfüllen.
Von keinen noch so bedrängenden und auch vorwurfsvollen Widerständen ließ sich Johannes XXIII. davon abhalten, ein neues Konzil einzuberufen.
Genau gestern vor fünfzig Jahren war es denn soweit: am 11. Oktober 1962 wurde das Zweite Vatikanische Konzil feierlich eröffnet. Fast 2500 Bischöfe aus aller Welt nahmen daran teil. Sie rangen miteinander um wesentliche Fragen zu Glauben und Kirche. Sie suchten einen guten Weg in die Zukunft zu finden, orientiert am Maßstab der Frohen Botschaft Jesu und an der Situation der Menschen in der Welt von heute. Dabei zeigten sich auch sehr bald die scharfen Gegensätze zwischen den konservativen und progressiven Gruppen. Einigen vatikanischen Würdenträgern aus der Umgebung des Papstes gefiel das nicht. Sie beschwörten den Papst einzugreifen. Doch Johannes XXIII. lehnte ab. Er belehrte die aufgeregten hohen Herren: „Es ist nur zu natürlich, dass jeder Konzilsvater seine Gedanken vorbringen will. Das ist die heilige Freiheit, die von der Kirche geachtet wird. ... Die Dinge sollen ruhig an uns herantreten, wie sie sich zutragen. Letzten Endes müssen wir alle erst einmal lernen.“
Wie wohltuend und gerade in seiner bescheidenen Klarheit richtungsweisend für den Fortgang des Konzils war die Grundhaltung dieses Papstes. Er hatte einen klaren Blick für das Evangelium und für die konkrete Situation von Kirche und Welt. Und er hatte ein großes Herz für die Menschen. Deshalb suchte er auch immer wieder den direkten Kontakt zu ihnen, sehr zum Leidwesen der vatikanischen Protokollbeamten und der italienischen Sicherheitsbehörden.
Ein lebendiger, tiefer Glaube erfüllte den Roncalli-Papst, und einen solchen wünschte er sich auch für seine Kirche. Leere Formen und Förmlichkeiten waren ihm zuwider. Die Aufgabe der Kirche hat er klar auf den Punkt gebracht: „Wir sind nicht auf der Erde, um ein Museum zu hüten, sondern um einen blühenden Garten voller Leben zu pflegen.“ Was für ein schönes Bild von Kirche. Wie gut tut es doch, sich in einem blühenden Garten aufzuhalten, den Duft und die Farben der Blumen zu genießen und die Erde achtsam zu bearbeiten. Wer möchte da nicht mitten drin dabei sein?
Auch heute – 50 Jahre nach dem Konzil – geht es nicht um Entweltlichung, sondern um „Aggiornamento“, um das Ankommen des lebendigen Glaubens mitten im blühenden Leben und der Welt der Menschen von heute. Das Konzil hat es so formuliert: „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten aller Art, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi. Und es gibt nichts wahrhaft Menschliches, das nicht in ihrem Herzen seinen Widerhall fände.“
Die wöchentlichen Andachten evangelischer bzw. ökumenischer Autorinnen und Autoren unter Angedacht (KWZ) werden zeitnah in diesem Archiv erfasst.
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