Angedacht
Veröffentlicht am Fr, 28.07.2006
Zwei Dinge machen mir in diesen Tagen zu schaffen: die brütende Hitze und besonders der Krieg im Nahen Osten. An die Hitze kann ich mich gewöhnen, und es gibt vielerlei Möglichkeiten, Erfrischung zu finden. Aber diesem Krieg fühle ich mich machtlos ausgeliefert. Mit Entsetzen sehe die Bilder der Verwüstungen in Beirut und in Haifa, lese ich, dass rund 800 000 Menschen auf der Flucht sind, bei glühender Hitze, ohne Verpflegung und ohne Trinkwasser. Im Fernsehen sehe sehe ich traurige, verzweifelte, aber auch wütende Menschen. Und ich spüre, wie auch in mir die Wut hoch kommt. Die Wut über radikale Fanatiker. Sie bomben und entführen gerade dann, wenn besonnene Politiker sich daran machen, Verhandlungen über Frieden und Ausgleich zu führen. Ich könnte auch schreien über den naiven Irrglauben von Staatsführern, die meinen, man könne den Terrorismus besiegen, indem man die Bombenflugzeuge losschickt.
Wie wenn schon jemals in der Geschichte Gewalt dauerhaft überwunden worden wäre durch Krieg. Meist wurde nur neuer Hass und noch größerer Fanatismus erzeugt. Die Erstarkung der Hamas und der Hisbolla sind Beispiele dafür. Darum fällt es mir in diesen Tagen auch so schwer, mich mit Israel zu solidarisieren. Eigentlich verdient dieser Staat ja unsere Solidarität. Nach dem Holocaust wurde er ja gegründet, damit die Angehörigen des jüdischen Volkes endlich wieder selbst bestimmt, frei und sicher leben können.
Wir haben nur sehr, sehr beschränkte Möglichkeiten, auf die Politik und das Verhalten der Kriegsparteien Einfluss zu nehmen. Ich halte es aber für wichtig, wenn Christen laut ihre Stimme erheben und einen sofortigen Waffenstillstand fordern. Bei einer Mahnwache am Montag in Stuttgart haben die Versammelten das getan. Es darf nicht noch mehr Blut fließen und es darf nicht weiter die Infrastruktur eines Landes zerstört werden.
Allerdings beginnt die eigentliche Arbeit erst nach einem Waffenstillstand. Friede kann nur werden, wenn in den Köpfen und in den Herzen abgerüstet wird. Die Mahnung des Apostels Paulus ist aktueller denn je: „Vergeltet nicht Böses mit Bösem, sondern überwindet das Böse mit Gutem.“(Römer 12, 17)
Noch etwas hilft mir in diesen Tagen ohnmächtigen Wut: Ich kann mich im Gebet an Gott wenden, Fürbitte tun, für die Opfer des Krieges, seien es Moslems, Juden oder Christen, für einen Waffenstillstand und besonders für die Verantwortlichen. Gott schenke ihnen Weisheit und den Mut, dass sie statt Bomben, Raketen und Panzern Menschen schicken, die Versöhnung stiften und das Zerstörte wieder aufbauen.
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